Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.10.1994; Aktenzeichen S-11/V-2289/93)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.11.1997; Aktenzeichen 9 RV 20/96)

BSG (Urteil vom 05.11.1997; Aktenzeichen 9 RV 21/96)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Verfahren nach § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X).

Der am … 1930 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien. Erstmals am 25. August 1989 beantragte er beim Versorgungsamt Fulda die Gewährung von Beschädigtenversorgung mit der Begründung, er sei als Kind während des Zweiten Weltkriegs in seiner Heimat schwer geschädigt worden. Im März 1943 habe er auf einer Wiese Vieh gehütet, dabei sei neben ihm eine Bombe explodiert. Deshalb sei bei ihm der rechte Unterarm amputiert worden und er habe das rechte Auge verloren. Wegen dieser Schädigung erhalte er in seiner Heimat Rente als ziviles Kriegsopfer. Zur weiteren Begründung fügte er mehrere Unterlagen bei, u.a. auch einen Zahlungsbeleg über seine Rente als ziviles Kriegsopfer. Nach weiteren Ermittlungen erkannte das Versorgungsamt Fulda mit Bescheid vom 21. Januar 1991 die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem BVG an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H. Zur Begründung führte es u.a. aus, daß die Leistung als sogenannte „Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.

Diesen Bescheid nahm das Versorgungsamt Fulda ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Zur Begründung führte es aus, der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger wegen derselben Ursache einen Invalidenrentenanspruch gegen seinen Heimatstaat habe. Eine Doppelversorgung sei jedoch gemäß § 7 Abs. 2 BVG ausgeschlossen. Da diese gesetzliche Vorschrift bei Erteilung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides nicht beachtet worden sei, sei dieser Bescheid rechtswidrig. Eine Rücknahme setze zwar voraus, daß das Interesse des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Vorteils nicht höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Beseitigung der Rechtswidrigkeit. Die Beseitigung dieses rechtswidrigen Bescheides sei aus öffentlichem Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen der rechtswidrigen Bescheide allein in den Verantwortungsbereich der deutschen Verwaltung falle. Hieraus ergebe sich jedoch nicht die Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens. Im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung sei die persönliche Situation des Klägers gewürdigt worden. Die niedrige Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zu einer Ermessensausübung zugunsten des Klägers führen, weil auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. Februar 1993 Widerspruch ein und hob hervor, daß er als ehemaliger Bürger der seitens der Serben zerstörten Stadt V. als Vertriebener nunmehr in Z. lebe und sowohl er als auch seine Familie äußerst bedürftig seien. Mit Schriftsatz vom 4. Januar 1992 hatte er zuvor dem Versorgungsamt mitgeteilt, daß er ein Haus in B. besessen habe, dies sei durch Granaten zerstört worden. Nun sei auch er Opfer dieses verrückten Krieges geworden. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, es sei ferner geprüft worden, ob im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ganz oder teilweise von der Entziehung der laufenden Leistungen abgesehen werden könne. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Diese Umstände würden bei Sozialleistungen vielfach zutreffen und könnten bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgesetzt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. September 1993 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben. Er hat die Ansicht geäußert, die Entziehung der Versorgungsleistungen sei rechtswidrig und habe nicht erfolgen dürfen.

Mit Urteil vom 7. Oktober 1994 hat das Sozialgericht den angegriffenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X erfolgen können. Es könne insoweit dahingestellt bleiben, ob der ur...

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