Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Richterablehnung. Misstrauen gegen Unparteilichkeit wegen politischer Tätigkeit (hier: Tätigkeit in der Stadtverordnetenversammlung und im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Sport). Sozialdatenschutz. Anspruch auf Löschung von Sozialdaten. Anspruchsgrundlage. Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tätigkeit einer Richterin als Stadtverordnete und Mitglied des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Sport vermag nicht schon Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit rechtfertigen.

2. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60 Abs 3 SGG ist die Besorgnis von Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw einer Richterin nur dann gerechtfertigt, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine konkret ins Gewicht fallende Interesseneinbindung bestehen.

3. Soweit der Antragsteller die Löschung seiner Sozialdaten aus den Akten des Antragsgegners begehrt, richtet sich dieser Anspruch nach § 84 Abs 2 S 1 SGB X.

4. Der Streitwert ist gemäß §§ 197a SGG, 52 Abs 2 GKG (juris: GKG 2004) auf 2.500,00 Euro festzusetzen. Der Sach- und Streitwert bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte und es ist sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse eines Antragstellers im Beschwerdeverfahren, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 14. April 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Löschung seiner vom Antragsgegner erhobenen personenbezogenen Daten sowie die Verpflichtung des Antragsgegners, es zukünftig zu unterlassen, Daten über den Antragsteller rechtswidrig anzufordern, zu erheben oder zu verarbeiten.

Der Antragsteller, der keine Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist der getrenntlebende Ehemann, von Frau C. A., welche mit ihren Kindern im SGB II-Leistungsbezug bei dem Antragsgegner steht.

Der Antragsgegner stellte am 24. Januar 2018 beim Bundeszentralamt für Steuern ein Kontenabrufersuchen für den Antragsteller (Bl. 4 GA). Mit Antwortschreiben vom 7. Februar 2018 übermittelte das Bundeszentralamt für Steuern dem Antragsgegner die Kontodaten des Antragstellers für den Zeitraum ab 21. Januar 2015 (Bl. 6 GA).

Am 25. Februar 2021 beantragte der Antragsteller per Email beim Antragsgegner die Löschung der rechtswidrig erlangten Daten, insbesondere der durch das Bundeszentralamt für Steuern unter dem 7. Februar 2021 erhaltenen Daten. Hierzu setzte er dem Antragsgegner eine Frist bis zum 3. März 2021 (Bl. 16 GA).

Am 6. März 2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Kassel einen Eilantrag gestellt und hat mitgeteilt, der Antragsgegner habe bis zum Fristablauf nicht reagiert.

Mit der Antragserwiderung hat der Antragsgegner ein Schreiben seines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten vom 4. März 2021 übersandt. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte des Antragsgegners hat in diesem Schreiben ausgeführt, dass er das Datenschutzanliegen geprüft und das Kontenabrufersuchen sowie die daraus folgenden Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern in der elektronischen Akte der BG A. „ausgeblendet“ habe (Bl. 28 GA).

Der Antragsteller hat dargelegt, dass ein „Ausblenden“ der Akten nicht ausreichend sei, da ihm ein Anspruch auf Löschung gemäß Art. 17 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zustehe. Auch seien, soweit Papierakten vorlägen, die entsprechenden Aktenteile zu vernichten. Ferner folge bereits aus dem einmaligen Rechtsverstoß des Antragsgegners eine Wiederholungsgefahr. Insoweit stehe ihm ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner zu.

Der Antragsteller hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, das rechtswidrig erlangte Kontenabrufverfahren betreffend die Daten des Antragstellers, hier die Antwort des Bundeszentralamtes für Steuern vom 7. Februar 2021, aus der Verwaltungsakte der BG A. zu entfernen und zu löschen; ferner den Antragsgegner zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, derartige Daten über den Antragsteller rechtswidrig anzufordern, zu erheben und zu verarbeiten.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er der Datenschutzeingabe des Antragstellers mit Schreiben vom 4. März 2021 bereits entsprochen habe. Einen Anspruch auf eine Unterlassungserklärung gebe es im (Sozial)-Datenschutzrecht nicht.

Mit Beschluss vom 14. April 2021 hat das Sozialgericht Kassel den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag habe keinen Erfolg.

Das Sozialgericht sei gemäß § 81b Abs. 1 SGB X i.V.m. § 51 Abs. 1 SGG sachlich zuständig. Für Klagen gegen einen Verantwortlichen wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2...

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