Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Beschwerde gegen Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen Nichtvorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a SGG i. V. m. § 117 ZPO u. a. die Feststellung der Bedürftigkeit des Antragstellers voraus. Weil mit der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst die Grundlage für die Prüfung der Bedürftigkeit geschaffen wird, ist der entsprechend ausgefüllte Vordruck Bestandteil der Bedürftigkeitsprüfung.

2. Dies hat zur Folge, dass eine Ablehnung der PKH-Gewährung wegen der Nichtvorlage des Erklärungsvordrucks unter den Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG fällt. In einem solchen Fall besteht für das Sozialgericht die Möglichkeit, die als unzulässig zu verwerfende Beschwerde in eine Gegenvorstellung umzudeuten. Eine solche wird auch nach Einführung der Anhörungsrüge weiterhin als zulässig angesehen (Anschluss BSG Beschluss vom 21. 8. 2009, B 11 AL 12/09 C).

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. September 2015 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Wirkzeitraum der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Seine Klage vom 12. Mai 2014 begründete der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. April 2015 und beantragte zeitgleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte der Kläger am 6. Mai 2015 zu den Akten. Hierauf bewilligte das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. September 2015 dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 6. Mai 2015. Der Beschluss enthält keine Begründung und keine Rechtsmittelbelehrung.

Gegen den am 29. September 2015 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 5. Oktober 2015 "sofortige Beschwerde" erhoben, mit der er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits ab Antragstellung am 20. April 2015 begehrt. Die Entscheidung über die Wirkdauer der Prozesskostenhilfe entspreche nicht der Intention des § 48 Abs. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Einschränkung, dass Prozesskostenhilfe erst ab Vorlage des Antrags bewilligt werde, bewirke, dass die Begründung der Klage und des Antrags auf Prozesskostenhilfe bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühr nicht berücksichtigt werde. Dies sei mit dem gesetzgeberischen Willen nicht vereinbar. Aus der Gesetzesbegründung zu § 48 RVG ergebe sich, dass die Tätigkeit im Klageverfahren nach Stellung des Antrags bis zur Bewilligung grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen sein solle. Dies sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.

Zwar ist der Kläger durch den Beschluss des Sozialgerichts beschwert, weil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst ab dem 6. Mai 2015 konkludent eine Teilablehnung des Prozesskostenhilfeantrags, nämlich für den Zeitraum ab Antragstellung am 20. April 2015 beinhaltet. Diese Teilablehnung hat Folgen für die Bestimmung der Höhe der Rahmengebühr nach den §§ 3, 14 RVG. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren kann nur der Teil des Verfahrens zur Ausfüllung der Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den Prozesskostenhilfe bewilligt und der betroffene Anwalt beigeordnet war. Denn § 48 Abs. 1 RVG regelt ausdrücklich, dass sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, bestimmt. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist damit nach Grund und Höhe vom Umfang der Beiordnung abhängig (Hessisches LSG, Beschluss vom 10. Juli 2015 - L 2 SF 11/15 E -, Rn. 23, juris). Dementsprechend scheidet bei einer Bewilligung, die auf einen Zeitpunkt nach Vorlage der Klagebegründung oder anderen für die Gebührenfestsetzung nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Umständen (wie z.B. Akteneinsicht) beschränkt wird, eine Berücksichtigung dieser anwaltlichen Tätigkeit bei der Gebührenfestsetzung aus (HLSG aaO.).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht jedoch § 172 Abs. 3 Nr 2 a) Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Ausgehend von der Struktur des § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), auf die § 73a SGG verweist, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die Erfüllung zweier Voraussetzungen geknüpft, nämlich die Bedürftigkeit des Antragstellers und die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Die Feststellung der Bedürftigkeit geschieht erst nach Eingang eines vollständigen Antrags, dem gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO die formularmäßige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen ist. Weil damit erst die Grundlage ...

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