Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Kosten der Unterkunft und Heizung. Angemessenheit von Mietaufwendungen. Verpflichtung des Leistungsträgers zur Ermittlung angemessener Mietpreise. Nachweis ausreichender Bemühungen des Bedürftigen zur Kostensenkung. Unzumutbarkeit. Bestehen eines befristeten Mietvertrages. Zu erwartender Altersrentenbezug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und danach eine Mietpreisspanne angemessener Unterkunftskosten zu ermitteln. Die Ermittlungen hat der Leistungsträger vorzunehmen.

2. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter zu ermitteln „Produkttheorie”).

3. Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche kann anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften beantwortet werden.

4. Der für die Angemessenheitsbetrachtung relevante örtliche Wohnungsmarkt wird grundsätzlich bestimmt durch den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Hilfeempfängers; im kreisangehörigen Raum wird die Ausdehnung des relevanten örtlichen Wohnungsmarktes jedenfalls durch den örtlichen Zuständigkeitsbereich des zuständigen Trägers begrenzt.

5. Ein Leistungsempfänger in befristetem Mietverhältnis und beträchtlicher Restlaufzeit des Mietvertrages kann nicht verlangen, dass der Grundsicherungsträger aus öffentlichen Mitteln weiterhin die tatsächlichen unangemessenen Kosten der Unterkunft bis zum Ende der Befristung übernimmt. Gleiches gilt, wenn das Mietverhältnis unbefristet geschlossen, das Recht zur ordentlichen Kündigung jedoch langfristig ausgeschlossen wurde.

6. Ein Umzug in eine kostenangemessene Unterkunft ist nicht deshalb unzumutbar, weil der Leistungsempfänger in vier Jahren aufgrund Erreichens des 65. Lebensjahres Anspruch auf Altersrente hat; bei diesem Zeitraum handelt es sich nicht um eine reine Übergangsphase.

 

Normenkette

SGB II § 22

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.11.2005; Aktenzeichen S 43 AS 318/05 ER)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2005 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, über den 30. Juni 2005 hinaus vorläufig die Kosten ihrer Unterkunft in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Die im Jahre 1944 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihrem im Jahre 1938 geborenen Ehemann in einer Doppelhaushälfte in A-Stadt. Bis zum 9. Januar 2003 bezog sie von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld und seitdem – bis zum 31. Dezember 2004 – Arbeitslosenhilfe. Der Antragsteller bezieht eine Altersrente, deren Zahlbetrag sich im Jahre 2004 auf 781,10 Euro netto belief. Nach ärztlicher Bescheinigung leidet er an Diabetes vom Typ II.

Der Wohnung der Antragsteller in der Doppelhaushälfte, die über eine Wohnfläche von 120 qm und einen Garten von 295 qm verfügt, liegt ein Mietvertrag vom 23. April 2003 zugrunde. Danach beträgt die Miete monatlich 1.250,00 Euro und zusätzlich 40,00 Euro für Garage/Stellplatz (§ 3). Nach § 2 des Vertrages begann das Mietverhältnis am 1. Juli 2003 und soll auf unbestimmte Zeit laufen. Weiter war vereinbart, dass die Miete unverändert bleibt für die Dauer der fest vereinbarten Mietzeit. Gemäß einer Anlage zum Mietvertrag wurde des Weiteren zur Mietlaufzeit (§ 2) vereinbart, dass „auf ausdrücklichen Wunsch der Mieter” wechselseitig das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von 10 Jahren ausgeschlossen werde. Das Recht zur ordentlichen Kündigung bestehe erstmals zum 30. Juni 2013.

Auf ihre Anträge vom August 2004 bewilligte die Agentur für Arbeit B. (H.) der Antragstellerin durch Bescheid vom 30. Oktober 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 948,56 Euro für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005. Darin enthalten waren die auf die Antragstellerin anteilig entfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung von insgesamt 603,56 Euro monatlich. Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem die Antragstellerin vornehmlich die Nichtberücksichtigung des Zuschlags nach § 24 SGB II rügte, hatte nur teilweise Erfolg. Gegen den insoweit ergangenen Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2005 hat die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 43 AS 464/05) erhoben.

Dem Antragsteller bewilligte der Antragsgegner durch Bescheid vom 16. Dezember...

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