Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. sozialgerichtliches Verfahren. sofortiges Anerkenntnis des beklagten Landes. Auferlegung der Verfahrenskosten auf den Kläger. kostenrechtliche Obliegenheit der vorherigen außergerichtlichen Geltendmachung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG kann außergerichtlich geltend gemacht werden.

2. Entscheidet sich der Kläger für die Klage nach § 198 GVG, ohne zuvor eine außergerichtliche Geltendmachung zu versuchen, und anerkennt der Beklagte den Anspruch sofort, fallen dem Kläger nach § 197a SGG iVm § 156 VwGO die Prozesskosten zur Last.

 

Orientierungssatz

Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht das Kostenrisiko im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses des Beklagten in einem Entschädigungsverfahren nach § 198 GVG beim Kläger (vgl BVerwG vom 17.8.2017 - 5 A 2/17 = NVwZ 2018, 909; aA LSG Celle-Bremen vom 10.7.2019 - L 13/15 SF 12/17 EK (AS) = ZInsO 2019, 1864).

 

Tenor

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 3.600,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die am 18. März 2020 beim Hessischen Landessozialgericht erhobene Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer des Rechtsstreits S 3 U 37/15 vor dem Sozialgericht Marburg wurde dem Beklagten nach Einzahlung des Prozesskostenvorschusses am 30. April 2020 zugestellt. Die Gerichtsakten des unfallversicherungsrechtlichen Ausgangsverfahrens gingen beim Beklagten am 2. Juni 2020 ein. Der Rechtstreit wegen überlanger Verfahrensdauer erledigte sich durch Anerkenntnis des Beklagten vom 22. Juni 2020 und dessen Annahme durch Erklärung des Klägers vom 29. Juni 2020. Das unfallversicherungsrechtliche Ausgangsverfahren, in dem Klage am 15. Mai 2015 erhoben worden war, hatte sich durch angenommenes Anerkenntnis in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2020 erledigt.

Der Beklagte ist der Auffassung, er habe keine Kosten des Entschädigungsklageverfahrens zu tragen, da er keine Veranlassung zur Klage gegeben habe. Zwar sei ein vorheriger Antrag bei der Behörde keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Entschädigungsklage. Allerdings fielen dem Entschädigungskläger bei unmittelbarer gerichtlicher Geltendmachung des Anspruchs die Prozesskosten zur Last. Die Anwendung des § 156 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei auch im Entschädigungsverfahren vor den Landessozialgerichten nicht unbillig.

Der Kläger ist der Auffassung eine Kostenfreistellung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des § 156 VwGO komme nicht in Betracht, da der Entschädigungsanspruch nach der gesetzlichen Konzeption durch Klageerhebung geltend zu machen sei (§ 198 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG).

II.

Der Kläger trägt die Kosten des durch angenommenes Anerkenntnis erledigten Entschädigungsklageverfahrens.

In Verfahren nach § 198 GVG hat die Kostenentscheidung nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu ergehen. Zuständig ist die Berichterstatterin (§ 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGG).

Vorliegend hat der Kläger im Verfahren in vollem Umfang obsiegt, was grundsätzlich zur Kostentragungspflicht des Beklagten führt (§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO).

Nach § 197a SGG i.V.m. § 156 VwGO fallen jedoch, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Vorliegendes Verfahren wurde durch sofortiges Anerkenntnis des Beklagten im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 22. Juni 2020 erledigt. Zwar wurde die Klage dem Beklagten schon am 30. April 2020 zugestellt und erfolgte das Anerkenntnis des Beklagten erst am 22. Juni 2020. Allerdings übersandte das Landessozialgericht die Gerichtsakte des streitgegenständlichen Klageverfahrens vor dem Sozialgericht erst mit Schreiben vom 2. Juni 2020. Vor Eingang dieser Akte beim Beklagten konnte sich dieser mangels Vorbefassung keine Meinung zur behaupteten Überlänge des Verfahrens bilden. Das am 22. Juni 2020 ausgesprochene Anerkenntnis wurde damit ohne jedes Zögern unverzüglich abgegeben. Eine Überlegungs- und Stellungnahmefrist von weniger als drei Wochen ist dem Beklagten jedenfalls zuzugestehen.

Der Beklagte hat durch sein Verhalten auch keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben. Der Beklagte war nicht Beteiligter des Ausgangsverfahrens, hatte daher auch keine Kenntnis von Dauer und Verlauf dieses Verfahrens. Er macht daher zu Recht geltend, der Kläger habe sich vor Klageerhebung nicht außerprozessual an ihn gewandt und das Klageverfahren sei entbehrlich gewesen, er habe keine Veranlassung zur Klage gegeben.

Zwar trifft es zu, dass der Anspruch nach § 198 GVG gemäß der gesetzlichen Konzeption unmittelbar durch Klageerhebung geltend zu machen ist (§ 198 Abs. 5 GVG), ohne dass vorher ein Verwaltungsverfahren zu durchlaufen wäre. Indessen kann der Anspruch auch außergerichtlich geltend gemacht werden. So verweist die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1) darauf, dass ...

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