Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag gem § 109 SGG. grob nachlässiges Prozessverhalten. Verzögerung. Verschleppungsabsicht

 

Orientierungssatz

Wer zunächst einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten völlig tatenlos verstreichen lässt und dann zunächst nur (überhaupt erstmals) eine Stellungnahme zum Ergebnis einer durchgeführten Begutachtung vorlegt, bevor er nach nochmaligem Hinweis durch das Gericht auf die beabsichtigte Entscheidung im Beschlussverfahren schließlich einen Antrag gem § 109 SGG stellt, der muss sich grob nachlässiges Prozessverhalten vorhalten lassen und kann nicht erwarten, dass dieser Antrag zugelassen und die hierdurch zwangsläufig eintretende (weitere) Verzögerung des entscheidungsreifen Rechtsstreits hingenommen wird. Auf die Frage, ob der Antrag gem § 109 SGG mit Verschleppungsabsicht gestellt worden ist, kommt es in einem solchen Fall nicht mehr an.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.03.2016; Aktenzeichen B 13 R 317/15 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1959 geborene Kläger erlernte von 1975 bis 1977 den Beruf des Landwirts und war nach bestandener Abschlussprüfung als Aushilfe in einer Fleischerei bzw. in einem Holzhandel sowie von 1982 an als Arbeiter auf dem Bauhof der Gemeinde C. tätig. Ab November 2008 war er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld in gesetzlichem Umfang. Ausweislich des zwischen den Beteiligten unstreitigen Versicherungsverlaufs vom 28. Mai 2014 sind die Kalendermonate ab 1. Januar 1984 im Sinne des § 241 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durchgängig mit Pflichtbeitragszeiten belegt.

Am 17. Dezember 2009 beantragte der Kläger unter Vorlage zahlreicher Krankenunterlagen bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Innere Medizin - Sozialmedizin - Dr. med. D. vom 6. April 2010 ein und wies den Rentenantrag auf dieser Grundlage durch Bescheid vom 22. April 2010 und Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 mit der Begründung zurück, dass der Kläger noch leichte, zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten könne und deshalb nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen nicht rentenberechtigt sei.

Der Kläger erhob daraufhin am 25. November 2010 Klage bei dem Sozialgericht Marburg und machte geltend, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Er sei außer Stande, unter den konkurrierenden Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Kläger legte aus einem bei der Unfallkasse Hessen geführten Verwaltungsverfahren einen "fachärztlich-gutachterlichen Widerspruch" des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. med. E. vom 11. Oktober 2010 sowie aus einem gegen die AOK Hessen geführten Rechtsstreit ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie - Prof. Dr. med. F. vom 22. März 2010 vor.

Die Beklagte berief sich demgegenüber darauf, dass eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß bei dem Kläger auch unter Berücksichtigung der eingeholten fachärztlichen Gutachten nicht als nachgewiesen angesehen werden könne.

Das Sozialgericht zog zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die den Kläger betreffenden Krankenunterlagen des Arztes für Allgemeinmedizin G. sowie die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes Kassel bei und erhob von Amts wegen Beweis durch Einholung eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Orthopädie sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin - spezielle orthopädische Chirurgie, Chirotherapie, spezielle Schmerztherapie - Dr. med. H. Im Gutachten vom 18. August 2011 diagnostizierte Dr. med. H. im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom 10. August 2011 bei dem Kläger degenerative Halswirbelsäulen-Veränderungen und mutete ihm noch leichte, teilweise auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 20 kg Gewicht) für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu. Diese Beurteilung bekräftigte Dr. med. H. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2011.

Nachfolgend wurde auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der von ihm benannte Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin - spezielle orthopädische Chirurgie, Rheumatologie, spezielle Schmerztherapie, Chirotherapie, Physikalische Medizin, Sportmedizin, Akupunktur, Sozialmedizin - Prof. Dr. Dr. med. J. gutachtlich ge...

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