Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sozialgeld. Hilfebedürftigkeit. Einkommen. Bedarfsgemeinschaft. Eheähnliche Gemeinschaft. Haushaltsgemeinschaft. Kinder. Eltern. Verwandte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei dem Bedarf von Kindern ist nur das Einkommen und Vermögen des Elternteils zu berücksichtigen, nicht hingegen das Einkommen und Vermögen des in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners des Elternteils.

2. Die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II erfasst nur Verwandte und Verschwägerte. Auf andere Personen ist die Regelung nicht analog anwendbar.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; SGB II § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 4, § 9 Abs. 2, 5, § 28; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 2a; SGB XII § 36; Alg-II-VO § 1 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 24. Mai 2005 aufgehoben, soweit hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes der Antragstellerin zu 2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 5. April 2005 angeordnet wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern zu 2.-4. 3/4 ihrer außergerichtlichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtschutzes über den Monat April 2005 hinaus Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragstellerin zu 1. ist die Mutter der Antragsteller zu 2.-4.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2004 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis einschließlich 30. Juni 2005. Zum 1. Mai 2005 zogen die Antragsteller zusammen mit Herrn H. in eine gemeinsame Wohnung. Herr H. ist mit den Antragstellern weder verwandt noch verschwägert.

Mit Bescheid vom 5. April 2005 stellte die Antragsgegnerin die Leistungen für die Antragsteller mit Wirkung zum 30. April 2005 ein. Zur Begründung führte sie aus, dass das künftig zur Verfügung stehende Einkommen den Bedarf der gesamten Familie unter Einschluss von Herrn H. um 623,26 EUR übersteige.

Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 2. Mai 2005, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 4. Mai 2005, Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden wurde.

Am 27. April 2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Kassel um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Herrn H. sei es nicht möglich, aus den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln die gesamte Familie zu unterhalten. Auch müssten die Kinder wegen chronischer Erkrankungen auch über den Monat April 2005 hinaus krankenversichert werden. Im Übrigen verstoße die Heranziehung des mit der Antragstellerin zu 1. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden Herrn H. gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), da für eine Lebensgemeinschaft zwischen Homosexuellen derartige Leistungskürzungen nicht vorgenommen würden.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2005 ordnete das Sozialgericht Kassel die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid vom 5. April 2005 hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für die Antragsteller zu 2. -4. an, hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. auch wegen des Krankenversicherungsschutzes. Im Übrigen lehnte das Sozialgericht den Antrag ab.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. bestehe kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, da sie mit Herrn H. in einer eheähnlichen Beziehung lebe und deshalb dessen Einkommen und Vermögen bei der Antragstellerin zu 1. zu berücksichtigen sei. Sie habe damit auch keinen Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung durch die Antragsgegnerin. Die Einbeziehung von Partnern aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften bei gleichzeitiger Außerachtlassung homosexueller, eheähnlicher Lebensgemeinschaften sei nicht verfassungswidrig und verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin müsse der Partner der Antragstellerin zu 1. sein Einkommen und Vermögen jedoch nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch der Antragsteller zu 2. -4. einsetzen. Hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen anderer sei in § 9 SGB II eine abschließende Regelung im Zusammenhang mit § 7 SGB II getroffen worden. § 9 Abs. 2 SGB II erfasse in Satz 1 im Verhältnis der in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner zueinander deren Einsatz von Einkommen und Vermögen. In Satz 2 sei geregelt, wie das Einkommen und Vermögen anzurechnen sei, wenn minderjährige, unverheiratete Kinder mit ihren Eltern oder mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben würden. Um diesen Fall gehe es hier nicht, da Herr H. nicht Vater der drei Kinder sei. Aus § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sei jedoch nicht zu schließen, dass der jeweilige Lebenspartner zu Gunsten der Kinder des Par...

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