Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten für Zeitversäumnis. Heranziehung zu Gutachtenstermin. Fehlen eines zu entschädigenden Nachteils. Eigeninteresse am Verfahrensausgang. Verfahrensstellung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Prozessbeteiligter erleidet wegen seines besonderen Interesses am Verfahrensausgang durch die Heranziehung zum Gutachtenstermin grundsätzlich keinen zu entschädigenden "Nachteil" im Sinne vom § 20 JVEG.

 

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 28.01.2008 wird auf insgesamt 30,00 € festgesetzt.

 

Gründe

In der Unfallversicherungsstreitsache des Antragstellers gegen die Unfallkasse Hessen (Az.: L 3 U 172/06) war der Sachverständige Prof. Dr. UM. in II-Stadt. mit der Begutachtung des Antragstellers beauftragt worden. Die Untersuchung fand am 28.01.2008 in der Zeit von 9:30 Uhr bis 14:00 Uhr statt. Am 04.03.2000 machte der Antragsteller die Erstattung von baren Auslagen und Zeitverlust geltend. Er gab hier an, um 7:15 Uhr von seinem Wohnort in A-Stadt abgefahren und um 15:40 Uhr wieder nach A-Stadt zurückgekehrt zu sein. Der Urkundsbeamte erstattete dem Antragsteller 30,00 € (6 € Tagegeld sowie insgesamt 24,00 € Fahrtkosten).

Am 23.03.2008 hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung seiner Entschädigung beantragt. Er vertritt die Auffassung, ihm stünde außer Fahrtkosten auch eine Entschädigung für Zeitversäumnis für neun Stunden in Höhe von 27,00 € zu. Er habe durch die Wahrnehmung des Untersuchungstermins nicht nur eine Beeinträchtigung seiner Freizeitgestaltung erlitten; er sei auch gezwungen gewesen, einige juristische Arbeiten zur Seite zu legen, die er sich für den Tag der Begutachtung in II-Stadt. vorgenommen habe. Stattdessen habe er die Zeit beim Sachverständigen, auf Klinikfluren, Bahnhöfen oder in Zügen verbracht.

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

seine Entschädigung für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 28.01.2008 auf 57,00 € festzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),

die Entschädigung auf 30,00 € festzusetzen.

Der Antragsgegner verweist auf einen Beschluss des erkennenden Senats vom 11.03.1998 (L 9 B 66/97 SF). Hierin sei ausgeführt, dass ein Prozessbeteiligter, dessen Verfahrensstellung sich durch sein eigenes Interesse am Verfahrensausgang deutlich von der Situation eines Zeugen unterscheide, durch die Heranziehung zum Untersuchungstermin keinen Nachteil erleide, so dass eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht in Betracht komme. Diese Entscheidung nach den Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) sei auch nach den nunmehr gültigen Vorschriften der §§ 20 und 21 des Justizvergütungs-und Entschädigungsgesetzes (JVEG) weiterhin gültig, da die neue Rechtslage insoweit keine Änderung gebracht habe.

Die Einzelrichterin hat den Rechtsstreit wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen (§ 4 Abs. 7 S. 3 JVEG).

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Antragsakte sowie die Gerichtsakte, die vorgelegen haben, Bezug genommen.

Auf den nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 JVEG zulässigen Antrag ist die Entschädigung, wie vom Kostenbeamten festgestellt, auf insgesamt 30,00 € festzusetzen. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird nicht gewährt.

Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Diese Vorschrift gilt auch, wenn ein Prozessbeteiligter zur Untersuchung durch einen Sachverständigen aufgrund dessen Einladung, der eine gerichtliche Anordnung zu Grunde liegt, erscheint. Geleistet wird Fahrtkostenersatz, Tagegeld, Entschädigung für Zeitversäumnis, für Nachteile bei der Haushaltsführung und Verdienstausfall (§§ 5, 6,7,20 bis 22 JVEG). Gemäß § 20 JVEG wird eine Entschädigung für Zeitversäumnis von 3,00 € je Stunde gewährt, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung erfolgt, es sei denn, dem Zeugen ist durch seine Heranziehung ersichtlich keinen Nachteil entstanden. Wie der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 11.03.1998 (a.a.O.) unter der Geltung des ZSEG entschieden hat, erleidet ein Prozessbeteiligter, dessen Verfahrensstellung und dessen eigenes Interesse am Verfahrensausgang sich deutlich von der Situation eines Zeugen unterscheidet, grundsätzlich keinen Nachteil durch die Heranziehung zu einem Gutachtenstermin. Da die Vorschrift des § 20 JVEG sich inhaltlich nicht von der früheren Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 3 ZSEG unterscheidet, sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner früheren Rechtsprechung abzuweichen. Auch der Vortrag des Klägers, er sei in seinem Studium und in der Freizeitgestaltung beeinträchtigt gewesen, ist nicht geeignet, einen entschädigungspflichtigen Nachteil zu begründen. Zwar würde bei dem vorgetragenen Sachverhalt für einen Zeugen ein Nachteil im Sinne des § 20 JVEG beste...

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