Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Rechtsanwältin in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung auf der Basis von Rechtsanwalts-Dienstleistungsverträgen. fachliche Weisungsgebundenheit. Eingliederung in Betrieb. monatliches Festgehalt. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung auf der Basis von Rechtsanwalts-Dienstleistungsverträgen, die verpflichtet war, fachlich den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen, die in die Arbeitsorganisation der Gesellschaft eingegliedert war und monatlich ein festes Gehalt bezog (hier: abhängige Beschäftigung).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2022; Aktenzeichen B 12 BA 3/22 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.796,53 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einer Beitragsnachforderung für die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin für die Klägerin.

Die Beigeladene zu 1) ist langjährig als Rechtsanwältin tätig. Für eine Tätigkeit als Rechtsanwältin bei den Rechtsanwälten D. und Kollegen in B-Stadt ab dem 1. Oktober 1997 wurde sie von der Beklagten mit Bescheid vom 27. November 1997 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.

Vor Beginn der hier streitgegenständlichen Tätigkeit waren die Beigeladene zu 1) und der Geschäftsführer der Klägerin als Rechtsanwälte bis 30. Juni 2013 Partner der Partnerschaftsgesellschaft E. & Partner, die zum 1. Juli 2013 aufgelöst wurde. Die im Mai 2013 gegründete Klägerin, deren Alleingesellschafter Rechtsanwalt Dr. B. gleichzeitig ihr einziger Geschäftsführer ist, übernahm am 11. Juli 2013 den Standort dieser Partnerschaftsgesellschaft in A-Stadt. In § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags ist bestimmt, dass die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die Geschäftsführer sind und/oder als Prokuristen/Handlungsbevollmächtigte von der Gesellschaft bevollmächtigt seien, bei der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs zu gewährleisten ist.

Die Beigeladene zu 1) führte zu diesem Zeitpunkt an ihrem damaligen Wohnsitz in B-Stadt eine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Zugleich schloss sie unter dem 28. Juni 2013 mit der Klägerin einen Anwalts-Dienstleistungsvertrag für den Zeitraum ab 1. Juli 2013. Ausweislich der Präambel waren sich die Parteien einig, dass die Beigeladene zu 1) für die Zusammenarbeit eine partnergleiche Position bei der Klägerin auf der Basis einer freiberuflichen Vereinbarung haben solle. Soweit die Beigeladene zu 1) daneben selbstständig sei, sichere sie zu, dass sie ihre Tätigkeit fachlich und zeitlich so einrichten werde, dass es zu keinen sachlichen und/oder zeitlichen Konflikten zu ihrer Tätigkeit nach dem Vertrag komme. Nach § 1 wurde die Beigeladene zu 1) als Rechtsanwältin im A-Stadt Büro der Klägerin tätig. Sie war verpflichtet, sich zur Rechtsanwaltschaft bei der Rechtsanwaltskammer A-Stadt zuzulassen bzw. die Zulassung aufrechtzuerhalten. Fachlich habe sie den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen. Für fachliche Äußerungen nach außen, insbesondere bei fachbezogenen Vorträgen oder durch entsprechende Veröffentlichungen, bedürfe es der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft. Sie führe die Geschäfte der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung unter Verleihung von Prokura. Für ihre Dienstleistung erhielt die Beigeladene zu 1) nach § 3 des Vertrags eine feste monatliche Vergütung in Höhe von 6.000, - €, jeweils am Letzten eines Monats zur Zahlung fällig. Vereinbart wurde ferner eine variable Vergütung wegen der von der Beigeladenen zu 1) abgerechneten und gegenüber dem jeweiligen Mandanten realisierbaren Stunden. Diese variable Vergütung betrug, wenn das Mandatsverhältnis durch die Klägerin akquiriert wurde, 20 % des Mandats-Netto-Umsatzes, bei Selbstakquise und Betreuung durch die Beigeladene zu 1) 30%, bei Selbstakquise ohne Betreuung 10 %. Auslagen und Spesen wurden der Beigeladenen zu 1) gesondert erstattet. Der Vergütung lag ein vereinbarter Dienstleistungsumfang von 40 Stunden wöchentlich zugrunde; dabei war die Beigeladene zu 1) in der Festlegung ihrer Anwesenheit in den Kanzleiräumen der Gesellschaft weitgehend frei (§ 4). In § 5 wurde ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen kalenderjährlich vereinbart. Die Dienstleistungsvereinbarung begründe kein Anstellungsverhältnis, die Beigeladene zu 1) übernehme die Kosten für die eigene Kranken- und ggf. sonstige Sozialversicherung (§ 6). Die erforderliche Haftpflichtversicherung unterhalte die Beigeladene zu 1) auf eigene Kosten (§ 9). Nach § 7 konnte der Vertrag mit einer Kün...

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