Leitsatz (redaktionell)

Nach § 158 Abs 2 GVG darf das Ersuchen um Rechtshilfe eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichtes nur abgelehnt werden, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.08.1981)

 

Tenor

Der Beschluß des Vorsitzenden der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt vom 27. August 1981 wird aufgehoben.

 

Gründe

In dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit (Az.: S-22/J-509/81) begehrt die Klägerin die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten. Hierzu hat das Sozialgericht Berlin mit Beweisbeschluß vom 20. Juli 1981 die Vernehmung der Zeugen A. und M. beide wohnhaft in …, beschlossen und das Sozialgericht Frankfurt um die Vernehmung der Zeugen im Wege der Rechtshilfe ersucht. Es fügte dem Ersuchen neben einer Abschrift der von ihm formulierten sieben Beweisfragen zur Information eine Erklärung der Zeugin M. und die Angaben der Klägerin anläßlich eines stattgefundenen Erörterungstermines bei.

Mit Beschluß vom 27. August 1981 lehnte der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt die Durchführung des Rechtshilfeersuchens ab, da er nicht ausreichend über den Sachstand und die bisherigen Ermittlungen informiert und daher nicht in der Lage sei, eine sachgerechte Vernehmung der Zeugen durchzuführen. Außerdem verstoße das Rechtshilfeersuchen gegen § 375 der Zivilprozeßordnung (ZPO), da keine der Voraussetzungen des § 375 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO gegeben seien. Insbesondere könnten die Zeugen angesichts der guten Verkehrs-(Luft-)Verbindungen mit Berlin von dem Prozeßgericht selbst vernommen werden. Der Verstoß gegen den in § 375 ZPO zwingend festgelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme stehe der Durchführung des Rechtshilfeersuchens entgegen. Im übrigen komme ein Zeugenbeweis zur Feststellung von Versicherungszeiten nicht in Betracht, soweit ein Verfahren zur Feststellung dieser Zeiten nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 stattfinde.

Gegen diesen am 23. September 1981 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Beschluß hat dieses am 14. Oktober 1981 Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde.

Die Aussagen der Zeugen würden zur weiteren Aufklärung benötigt. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses, mit denen die Durchführung der Rechtshilfe abgelehnt wurde, seien nicht überzeugend. Das Sozialgericht Frankfurt sei lediglich um Vernehmung der Zeugen zu den mitgeteilten Beweisfragen ersucht worden. Das Ersuchen verstoße auch nicht gegen § 375 ZPO, zumal die Notwendigkeit einer Gegenüberstellung der Zeugen mit der Klägerin nicht ersichtlich sei.

Die Beschwerde - es handelt sich um eine Beschwerde und nicht um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (vgl. Kissel, Kommentar z. GVG, § 159 RN 1) - ist zulässig (§ 172 SGG, § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG); sie ist auch begründet. Der angegriffene Beschluß ist aufzuheben, weil der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt nicht berechtigt war, des gestellte Rechtshilfeersuchen abzulehnen.

Nach § 5 Abs. 1 SGG leisten alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit anderen Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit Rechtshilfe. Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Sozialgericht zu richten, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll. Das Ersuchen ist durch den Vorsitzenden einer Kammer durchzuführen (§ 5 Abs. 2 SGG). Für die Durchführung der Rechtshilfe gelten die Vorschriften der §§ 158 bis 160, 164 bis 166 und 168 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entsprechend (§ 5 Abs. 3 SGG).

Nach § 158 Abs. 2 GVG, der hier als Grundlage für die ergangene Entscheidung allein in Betracht kommt, darf das Ersuchen um - die grundsätzlich zu gewährende (§ 158 Abs. 1 GVG) - Rechtshilfe eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichtes nur abgelehnt werden, wann die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Danach und in Übereinstimmung mit der überwiegend in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung kann ein Rechtshilfeersuchen nicht abgelehnt werden, wenn das ersuchte Gericht die vom dem ersuchenden Gericht begehrte Handlung in Anbetracht der Sachlage für nicht angemessen oder unzweckmäßig halt (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 79; Baumbach/Lauterbach, a.a.O., § 158 GVG Anm. 2 B; Zöller, ZPO, 12. Aufl., § 158 GVG Anm. 2 aa; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit § 5 S. 39/2) Anm. zu § 158 GVG; Schneider, in Justizverwaltungsblatt ((JVBl) 1969, S. 241 ff. - jeweils m.w.H.). Insbesondere ist es nicht Aufgabe und Pflicht des ersuchten Gerichts, darüber zu wachen, ob das ersuchende Gericht in dem vorangegangenen Verfahrensabschnitt Verfahrensverstöße begangen hat oder möglicherweise durch die Anordnung der Beweiserhebung im Zuge der Rechtshilfe begeht (vgl. hierzu Zöller a.a.O., m.w.H.). Grundsätzlich hat das ersuchte Gericht daher dem Ersuchen zu entsprechen (OLG Koblenz in NJW 1975, 1036 m.w.H.) auch wenn es das Vorgehen ...

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