Entscheidungsstichwort (Thema)

Analoge Gesetzesanwendung bei planwidriger Regelungslücke. Unverzinslicher Darlehensvertrag i.S.d. §§ 488 ff. BGB. Wegfall der Geschäftsgrundlage und Vertragsanpassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die analoge Anwendung einer Vorschrift ist nur möglich, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben.

2. Ein Darlehensvertrag kann unverzinslich geschlossen werden und unterscheidet sich deshalb von der Leihe. Es gelten die Regelungen der § 488 ff. BGB, insbes. des § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB, aus dem folgt, dass bei einem den §§ 488 ff. BGB unterfallenden Darlehen nicht zwingend Zinsen geschuldet sein müssen.

3. Nach § 313 BGB ist ein Vertrag anzupassen, wenn Umstände, die zu seiner Grundlage geworden sind, sich schwerwiegend verändert haben. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.

 

Normenkette

BGB §§ 488, 313, 605 Nr. 1, §§ 314, 490 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.02.2022; Aktenzeichen 7 Ca 6313/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2022 – 7 Ca 6313/21 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehnsbetrages.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin).

Die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte schlossen am 17. Oktober 2018 eine „Ausbildungsvereinbarung zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (im Folgenden: Ausbildungsvereinbarung). Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt:

㤠1 Gegenstand/Zeitrahmen

(1) Der Co-Pilot wird auf eigene Kosten an dem Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung (Type Rating) als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family teilnehmen und zwar in der Flugschule B als Ausbildungsbetrieb.

(2) Der Lehrgang wird voraussichtlich in dem Zeitraum vom 07.01.2019 bis zum 30.04.2019 stattfinden.

§ 2 Vergütung

Mit Beginn des Lehrgangs zum Erwerb der Musterberechtigung erhält der Co-Pilot eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.550,00 € brutto monatlich.

(…)

§ 4 Arbeitsvertrag

Nach erfolgreich abgeschlossenem Type Rating erhält der/die Auszubildende

ein Arbeitsvertragsangebot als Co-Pilot.

(…)“

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Ausbildungsvereinbarung wird auf die Anlage K3 Bezug genommen (Bl. 14 d. A.).

Ebenfalls am 17. Oktober 2018 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte

einen „Darlehensvertrag zur Finanzierung der Type Rating Kosten für das Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (im Folgenden: Darlehensvertrag). In diesem heißt es auszugsweise wie folgt:

„Im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft vereinbaren die Parteien folgendes Darlehen und zwar zur Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family:

§ 1 Darlehen

Die Gesellschaft gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 20.950 EUR (…) („Darlehensbetrag“).

§ 2 Fälligkeit der Auszahlung

Die Auszahlung des Darlehensbetrages erfolgt durch die Gesellschaft bei Ausbildungsbeginn direkt an den Darlehensnehmer. Die Auszahlung der ersten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum Ausbildungsbeginn 07.01.2019 und die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum 21.01.2019.

§ 3 Zins/Lohnsteuer

(1) Das Darlehen ist nicht zu verzinsen.

(…)

§ 4 Tilgung

(1) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR (...) (Höhe der Einzelraten), mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen und zwar jeweils zum Ende des Monats, der dem Beginn des Arbeitsverhältnisses folgt (Datum der ersten Ratenzahlung).

(2) Nach der ersten Ratenzahlung sind die Tilgungsraten ebenfalls jeweils zum Ende eines jeden Monats fällig.

(3) Die Tilgung des Darlehens erfolgt über einen Zeitraum von 94 Monaten.

(…)

§ 6 Vorzeitige Beendigung des Darlehens/Fälligkeit

(1) Der ausstehende Darlehensrestbetrag wird insgesamt fällig, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grunde, beendet wird. Dies gilt nicht für die Fälle der betriebsbedingten Kündigung, der durch die Gesellschaft veranlassten Eigenkündigung, der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

(2) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Darlehensnehmer nach der erfolgreichen Absolvierung des Type Rating Lehrganges al...

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