Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.09.1995; Aktenzeichen 3 Ca 1305/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 21. September 1995 – 3 Ca 1305/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Überlassung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes.

Sie ist bei der Beklagten seit 1966 als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 4.700,– DM beschäftigt und zugleich Mitglied des bei der Beklagten in ihrer Zentrale gebildeten Betriebsrates. Die Klägerin steht seit Jahren in hausärztlicher Behandlung wegen chronischer Atemwegserkrankungen. Am 18.05.1992 bescheinigte der sie behandelnde Hausarzt Dr. G., daß die Klägerin aufgrund dieser Erkrankung dringend auf einen Arbeitsplatz ohne Rauchbelastung der Atemluft angewiesen sei (ärztliche Bescheinigung Bl. 11 d. A.). Seit Mai 1993 ist die Klägerin in einem Großraumbüro der Beklagten beschäftigt, das weder über eine Be- und Entlüftungsanlage, noch über Klimatisierung verfügt. Die Belüftung des Raumes, in dem sich sämtliche Arbeitsplätze ohne Wandunterteilungen auf einer Fläche befinden, geschieht ausschließlich über zu öffnende Fenster. Der Arbeitsplatz der Klägerin liegt 2 bis 3 m vom nächsten Fenster entfernt und ist vom Arbeitsplatz mehrerer Raucher, die in 2 1/2 bis 5 m Entfernung tätig sind, umgeben. Im Radius von etwa 5 m um den Arbeitsplatz der Klägerin herum sind mindestens 12 Arbeitnehmer der Beklagten beschäftigt, die regelmäßig während der Arbeitszeit rauchen, und zwar nach Angaben der Beklagten ca. 10 bis 20 Zigaretten pro Tag, während es sich nach Angaben der Klägerin um „Kettenraucher” handeln soll. Aufgrund einer Besichtigung der Betriebsstätte der Beklagten am 26.07.1994 hat das Staatliche Amt für Sicherheitsschutz und Sicherheitstechnik mit Schreiben vom 27.09.1994, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 122 f. d. A.), festgestellt, daß infolge „der Raumgrößen und der Raumgeometrie der Großraumbüros und Bürolandschaften eine gesundheitlich zuträgliche Be- und Entlüftung über die vorhandenen Fenster nicht möglich ist”. Auf die in dem genannten Schreiben enthaltene Auflage hin hat die Beklagte ein fachtechnisches Gutachten u. a. zur Verbesserung der als nicht ausreichend erachteten Be- und Entlüftung der Bürobereiche erarbeiten lassen. Wegen dieses Gutachtens wird ergänzend auf Bl. 124 – 138 d. A. Bezug genommen. Neben dem genannten Großraumbüro verfügt die Beklagte über Einzelzimmer für die Geschäftsführer und Hauptabteilungsleiter sowie für Besprechungen des Betriebsrates und zur Benutzung durch die Betriebsärztin. Mit Schreiben vom 23.11.1994 (Bl. 6 d. A.) wies die Klägerin auf ihre Atembeschwerden, den dringenden ärztlichen Rat zu einem rauchfreien Arbeitsplatz hin und erbat, ihr einen solchen zur Verfügung zu stellen. Der im Betrieb der Beklagten gebildete Betriebsrat lehnt zur Zeit den Abschluß einer Betriebsvereinbarung über ein Rauchverbot ab.

Die Klägerin hat behauptet, daß bei ihr eine Erkrankung der oberen Luftwege bestehe, die zur Ausheilung und Vermeidung einer Dauerschädigung der Schleimhäute zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine rauchfreie und möglichst ausreichend feuchte Luft am Arbeitsplatz erfordere (ärztliche Bescheinigung des Arztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Dr. S., Bl. 5 d. A., Zeugnis dieses Arztes). Sie hat weiter behauptet, daß an ihrem bisherigen Arbeitsplatz in tabakrauchhaltiger Atemluft die Gefahr weiterer gesundheitlicher Schädigung drohe (Sachverständigengutachten). Sie hat gemeint, die Beklagte habe mehrere Möglichkeiten, dieser Gefahr entgegenzuwirken, so etwa durch den Einbau von Trennwänden von der Decke bis zum Boden oder der Installation einer Klimaanlage. Ein generelles Rauchverbot sei nicht die einzige Möglichkeit, gesundheitlich zuträgliche Atemluft zur Verfügung zu stellen. Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abtrennung durch Stellwände einen Arbeitsplatz am Fenster des Büro einzurichten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, der Hauptantrag der Klägerin sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Im übrigen hat sie behauptet, daß von der Atemluft am Arbeitsplatz der Klägerin keine Gesundheitsgefährdung ausgehe (Sachverständigengutachten). Sie könne auch nicht gezwungen werden, durch die – ihr im übrigen durch den Vermieter nicht gestatteten – Erstellung von Zwischenwänden ihr Büronutzungskonzept der horizontalen Kommunikation zu ändern.

Mit am 21.09.1995 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main – 3 Ca 1305/95 – der Klage stattgegeben. Es hat festgestellt, daß die Klägerin Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz habe, unabhängig davon, ob bei ihr eine gesundheitliche Vorschädigung anzunehmen sei oder nicht. Wegen des Inhaltes...

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