Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. kein Nachweis der Einhaltung der Frist des § 626 II BGB. Außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer [Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys]. Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Zurechnung der Kenntnis einer dritten Person

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist nicht gewahrt, wenn auch die Vorlage der den Kläger betreffenden Unterlagen erst verspätet erfolgte, dies jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, und die Verzögerung der Rechtsvorgängerin der Beklagten aufgrund Organisationsmangels zuzurechnen ist.

2. Auch wenn eine Mitarbeiterin der Beklagten nicht kündigungsberechtigt ist, ist ihre Kenntnis der Beklagten zuzurechnen, da die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise dem Arbeitgeber bzw. Kündigungsberechtigten die Kenntnis einer dritten Person zugerechnet werden kann, vorliegen.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 626 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.11.2010; Aktenzeichen 15 Ca 2030/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. November 2010, 15 Ca 2030/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen und um Weiterbeschäftigung.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 566 bis 571 d.A.) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Mai 2011 (Bl. 565 d.A.) Bezug genommen.

Die ursprüngliche Beklagte (A GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB C) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb ZD auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB D). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 22. September 2011 aufgenommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 03. November 2010 verkündetes Urteil, 15 Ca 2030/10, mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrags stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar bestehe der dringende Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung durch Privatnutzung des zur Verfügung gestellten Diensthandys. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles sei jedoch eine Abmahnung erforderlich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 572 bis 579 d.A.).

Gegen dieses ihr am 25. März 2011 zugestellte Urteil hat die frühere Beklagte am 20. April 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 18. Mai 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 30. Juni 2011 am 30. Juni 2011 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts der Umfangs und Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Abzustellen sei in diesem Zusammenhang auf einen objektiven Maßstab und nicht auf die subjektive Bewertung, die auch nicht dadurch beachtlich werde, weil sie nach Auffassung der angefochtenen Entscheidung auch von anderen Arbeitnehmern geteilt werde. Abmahnungserfordernis und/oder Unwirksamkeit der Kündigung könne auch nicht aus unterschiedlicher Behandlung der verschiedenen im Rahmen der Überprüfung auffällig gewordenen Arbeitnehmer gefolgter werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Kündigungsrecht keine, jedenfalls keine unmittelbare Anwendung. Ihre Rechtsvorgängerin sei bei der Behandlung der im Frühjahr 2010 wegen des Verdachts der Privatnutzung von Firmenhandys auffällig gewordenen Arbeitnehmer auch nicht nach einer selbst gesetzten Regel vorgegangen, sondern habe in jedem Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und die Besonderheiten des Einzelfalls gewürdigt, hierbei neben anderen Kriterien auch jeweils die Schadenshöhe. Bei den einzelnen Arbeitnehmern liege auch bereits kein sachlich und zeitlich gleichgelagerter Sachverhalt vor, so dass auch keine mittelbare Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Interessenabwägung oder unter dem Aspekt der Selbstbindung und auch keine Anwendung der Grundsätze der sog. herausgreifenden Kündigung in Betracht komme. Selbst wenn aber die mittelbare Anwendung des Gleichbehandlungsgrunds...

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