Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Betriebsübergangs i.S. von § 613a Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

Sind drei Mitarbeiterinnen im "Streckengeschäft" in der Weise tätig, dass sie Aufträge annehmen und bearbeiten, die per Telefon, Fax oder E-Mail eingehen und für die Bestellung der Ware beim Vorlieferanten und die Auslieferung an die Kunden Sorge tragen, so handelt es sich jedenfalls dann, wenn es eine Zwischenleitungsebene nicht gibt und der Bereich direkt dem Geschäftsführer unterstellt ist, nicht um einen Teilbetrieb i.S. von § 613a Abs. 1 BGB. Vielmehr handelt es sich lediglich um einen Aufgabenbereich, nicht jedoch um eine abtrennbare organisatorische Einheit.

 

Normenkette

BGB § 613a; BGB § 613a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 29.04.2010; Aktenzeichen 3 Ca 525/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 29.04.2010 - 3 Ca 525/09 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte (spätere Schuldnerin) übergegangen ist und die Klägerin ihr gegenüber Vergütungsansprüche geltend machen konnte.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. A in B (zunächst Beklagte und spätere Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren ist eröffnet worden, nachdem die Schuldnerin Berufung eingelegt hatte. Die Klägerin war auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.03.2008 (Bl. 4 - 9 d.A.) seit dem 01.04.1989 bei der Fa. C in D bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Fa. Büro E in D, zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 1.841-- brutto als Angestellte für den Verkaufsinnendienst (Auftragsannahme) beschäftigt. Sie betreute dort mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen das sog. Streckengeschäft (Annahme von Telefon/Fax- und online-Bestellungen sowie deren Bearbeitung durch Bestellen beim Lieferanten). Die Waren wurden teils mit einem eigenen Fahrzeug, meist aber durch den Lieferanten selbst oder durch Dritte ausgeliefert. Daneben bestanden noch ein Ladengeschäft und die Maschinenabteilung. Alle Bereiche standen unter der Leitung des Geschäftsführers Barthel. Abteilungsleiter gab es nicht.

Sowohl die Fa. C als auch die Schuldnerin gingen zum 01.04.2008 aus den insolventen Schwesterunternehmen Büro E in D und B hervor, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer Herr F war. Die C D geriet im Verlauf des Jahres 2008 immer mehr unter finanziellen Druck. Die Schuldnerin übernahm im Oktober 2008 gegen Sicherungsübereignung die Bezahlung der von ihr beim Zentralregulierer I bestellten Waren. Die C bestellte dort etwa 70 % ihrer Ware. Die Verbindlichkeiten der C gegenüber der Schuldnerin beliefen sich schließlich auf EUR 105.000,--. Am 09.03.2009 schlossen beide Gesellschaften eine Vereinbarung (Bl. 10-12 d.A.), die die sofortige "Übertragung des Streckengeschäftes" von der Fa. C auf die Schuldnerin zum Gegenstand hatte. Für die im Einzelnen dort getroffenen Absprachen wird auf den Vereinbarungstext Bezug genommen (Bl. 10-12 d.A.). Schon vorher, am 16.02.2009, versandten die Gesellschaften ein gemeinsames Rundschreiben an ihre Kunden (Bl. 47 d.A.), in dem sie mitteilten, dass zukünftig das Streckengeschäft neu organisiert werde. Die Veränderungen geschähen im Hintergrund, für die Kunden fielen nur wenige Umstellungen bei den Kontaktdaten an. Ansonsten bleibe alles unverändert, das gelte insbesondere für die Ansprechpartner, darunter die Klägerin. Die wesentliche Änderung für die Kunden bestand darin, dass die Rechnungen künftig auf ein Konto der Schuldnerin zu begleichen waren. Am 18.02.2009 leitete der Geschäftsführer G der C E-Mails des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 16.02.2009 und vom 20.02.209 (Bl. 48 - 50 d.A.) über die künftige Verfahrensweise im Streckengeschäft an die drei dort tätigen Mitarbeiterinnen weiter.

Die Fa. C sprach am 30.03.2009 gegenüber der Klägerin eine betriebsbedingte Kündigung zum 31.07.2009 aus. Sie stützte sie darauf, dass der Arbeitsplatz wegen der Ausgliederung des Streckengeschäfts weggefallen sei. Dagegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht in Offenbach (Az.: 1 Ca 137/09) erhoben. Das Verfahren endete durch einen Vergleich, der jedoch Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den dortigen Parteien nur für den Fall enthielt, dass als Ergebnis des vorliegenden Verfahrens kein Betriebsübergang festgestellt würde. Die Klägerin erhielt für den Monat Mai 2009 keine Vergütung. Die Vergütung für die Monate Juni und Juli 2009 zahlte, veranlasst durch die vorläufige Insolvenzverwalterin, die C.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass zwischen ihr und der Schuldnerin (frühere Beklagte) ein Arbeitsverhältnis begründet wurde sowie die Vergütung für den Monat Mai 2009 in Höhe von € 1.841,--verlangt.

Die Klägerin hat die...

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