Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses. arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Überleitung nicht wissenschaftlicher Mitarbeiter durch eine Universitätsklinik in eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts bei Beibehaltung andere vergleichbarer Mitarbeiter in Forschung und Lehre verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

 

Orientierungssatz

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist sowohl die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also bei einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist.

2. Es verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen einer Umwandlung eines Universitätsklinikums nicht wissenschaftliche Mitarbeiter in eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts überleitet, während er andere Arbeitnehmer, die eine vergleichbare Tätigkeit im Bereich Forschung und Lehre ausüben, im Dienst belässt.

3. Soweit Beschäftigte nach § 22 Abs 3 UniKlinG (juris: UniKlinG HE) zum wissenschaftlichen Personal im Sinne von § 3 Abs 3 UKG (juris: GießenuaUniklinErG HE 2005) zählen, weil sie ausschließlich in Forschung und Lehre tätig sind, kommt es nicht darauf an, wie sie diese Aufgaben wahrnehmen, insbesondere ob sie selbständig arbeiten. Das Gesetz grenzt diesen Personenkreis erkennbar nur dadurch von den überzuleitenden Beschäftigten ab, dass er ausschließlich in Forschung und Lehre, mithin auch nicht mit einem noch so kleinen Zeitanteil Tätigkeiten der Krankenversorgung oder Verwaltung ausübt. Die qualitative Einstufung der Tätigkeit in Forschung und Lehre im Sinne eingruppierungsrechtlich relevanter Qualifizierungsmerkmale ist unerheblich.

4. Entscheidung nach Zurückverweisung durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2009, 8 AZR 689/07.

 

Normenkette

UniKlinG HE § 22 Abs. 3; GießenuaUniKlinErG HE 2005 § 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BAG (Urteil vom 19.03.2009; Aktenzeichen 8 AZR 689/07)

Hessisches LAG (Urteil vom 20.06.2007; Aktenzeichen 2 Sa 629/06)

ArbG Gießen (Urteil vom 06.01.2006; Aktenzeichen 4 Ca 420/05)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 8 AZN 27/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 06. Januar 2006 – 4 Ca 420/05 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 01. Juli 2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz, nachdem das Bundesarbeitsgericht auf die Revision der Klägerin das Urteil der Kammer vom 20. Juni 2007 – 2 Sa 626/06 – durch Urteil vom 19. März 2009 – 8 AZR 689/07 – aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat, weiterhin darüber, ob zwischen ihnen über den 1. Juli 2005 hinaus eine Arbeitsverhältnis besteht oder ob das vormals unstreitig bestandene Arbeitsverhältnis der Klägerin kraft des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums A und B (UKG) mit Wirkung zum 1. Juli 2005 auf die Anstalt des öffentlichen Rechts „Universitätsklinikum A und B” übergegangen ist, die mit Wirkung zum 2. Januar 2006 aufgrund Formwechsels in die Universitätsklinikum A und B GmbH umgewandelt worden ist.

Wegen des Sachverhalts, wie er der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde lag, wird zunächst auf den Tatbestand des Urteils vom 20. Juni 2007 (Bl. 361-368 d. A.) und den Tatbestand des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2009 (Bl. 394-399 d. A.) verwiesen.

Die Kammer hatte mit diesem aufgehobenen Urteil die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 6. Januar 2006 – 4 Ca 420/05 – mit der sie die Feststellung begehrt hat, dass zwischen den Parteien über den 1. Juli 2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Juli 2007 aufgehoben. Es hat angenommen, das beklagte Land sei zwar zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse des nicht wissenschaftlichen Personals kraft Gesetz befugt. Deshalb gebe es für die Klägerin kein Widerspruchsrecht betreffend die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses vom beklagten Land auf die Anstalt des öffentlichen Rechts „Universitätsklinikum A und B”. Allerdings habe das beklagte Land bei der Beurteilung, welche Tätigkeiten a...

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