Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauträger durch Auftragsvergabe an Subunternehmer kein Baubetrieb. Keine bauliche Zusammenhangstätigkeit zwischen Bauträger und bauendem Subunternehmer. Überwiegende bauliche Arbeitszeiten als Voraussetzung für Anwendungsbereich des VTV. Ausführung baulicher Leistungen als selbständige Betriebsabteilung. Verfolgung eigenständigen Zwecks für eigene Betriebsabteilung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vergibt ein Bauträger die eigentlichen baulichen Arbeiten an ein Subunternehmen, so ist der Betrieb des Bauträgers nicht als Baubetrieb im Tarifsinne anzusehen. Bei einem Bauträger besteht die betriebliche Zwecksetzung in der Verschaffung des Eigentums an einem schlüsselfertigen Haus. Die hierbei anfallenden Planungs-, Verwaltungs- und Koordinationstätigkeiten sind grundsätzlich baufremd. Für die Annahme einer baulichen Zusammenhangstätigkeit reicht die Anknüpfung an bauliche Arbeiten eines fremden Unternehmens prinzipiell nicht aus.

2. Für die Frage des Unterfallens unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV kommt es in aller Regel nur auf die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer an, da im Baubetrieb die Angestelltentätigkeiten, wie z.B. Buchhaltungsarbeiten, grundsätzlich notwendig anfallende Zusammenhangsarbeiten sind. Dies kann im Einzelfall anders sein, wenn der Betrieb gerade durch die Angestelltentätigkeit sein Gepräge erhält.

Zu den Anforderungen an eine Gesamtheit von Arbeitnehmern als selbständige Betriebsabteilung gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VI UAbs. 1 Satz 3 VTV.

 

Normenkette

VTV § 1 Abs. 2 Abschn. II; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. IV Unterabs. 1 S. 3; ZPO § 92 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.05.2019; Aktenzeichen 6 Ca 1257/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.07.2021; Aktenzeichen 10 AZR 190/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Mai 2019 – 6 Ca 1257/16 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.802,60 EUR (in Worten: Zwölftausendachthundertzwei und 60/100 Euro) zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger 35 % und die Beklagte 65 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 32 % und die Beklagte 68 % zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der für das Kalenderjahr 2016 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, nimmt er die Beklagte nach Verbindung von neun Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 18.924,10 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Januar 2016 bis Oktober 2016 sowie für die Angestellten in dem Zeitraum Januar 2016 bis November 2016.

Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer ab März 2016 auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren. Der Übersichtlichkeit halber wird die Zusammensetzung der Klageforderung unter Angabe des Aktenzeichens des ursprünglich getrennten Verfahrens wie folgt dargestellt:

gew AN

Angestellte

Betrag in Euro

6 Ca 1257/16

Jan bis Febr. 2016

1.978,60

gemeldet

6 Ca 1487/16

Jan bis Mrz. 2016

1.669,50

gemeldet

6 Ca 1712/16

Mrz bis April 2016

2.652 

Mindestb.

6 Ca 1778/16

April bis Juni 2016

1.669,50

gemeldet

6 Ca 1856/16

Mai bis Juni 2016

2.724 

Mindestb.

6 Ca 62/17

Juli bis August 2016

1.113 

gemeldet

6 Ca 76/17

Juli bis Aug. 2016

2.724 

Mindestb.

6 Ca 271/17

Sept. bis Nov. 2016

1.669,50

gemeldet

6 Ca 228/17

Sept. bis Okt. 2016

2.724 

Mindestb.

Summe:

18.924,10

Die Beklagte ist ein Bauträgerunternehmen. Ihr Tätigkeitsgebiet umfasst die Beschaffung von Grundstücken, die Projektentwicklung, Planungsphase der Projektentwicklung, Projektsteuerung sowie Baubetreuung. Darüber hinaus fallen Vertriebs-, Mietverwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben sowie Hausreinigungs- und Gartenpflegearbeiten an.

Vor Ort auf der Baustelle waren regelmäßig die beiden gewerblichen Arbeitnehmer A und B. Herr A, bei dem seit dem 1. Januar 2013 ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist, war für die Baukontrolle und der Materialbeschaffung zuständig. Ob er zumindest auch mit Maurerarbeiten beschäftigt war, ist streitig. Herr B hat zumindest auch Kranfahrertätigkeiten auf der Baustelle erbracht.

Daneben waren die folgenden Angestellten beschäftigt:

Her C arbeitete als Aushilfe in der Vermittlungsarbeit zu 30 Stunden im Monat. Er assistierte im Immobilienvertrieb und führte auch Musterhausbesichtigungen durch.

Frau D, die Ehefrau des Geschäftsführers, arbeitete ...

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