Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitergeltung von transformierten tariflichen und betrieblichen Normen nach Betriebsübergang. Ablösung durch ungünstigere Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den bei einem Betriebsübergang nach § 613a Abs 1 S 2 BGB in das Arbeitsverhältnis zwischen dem Betriebserwerber und dem Arbeitnehmer transformierten Normen gehört der gesamte Bestand der Tarifnormen, die die Rechte und Pflichten zwischen dem tarifgebundenen Betriebsveräußerer und dem tarifgebundenen Arbeitnehmer geregelt haben. Die Wirkungsweise der nach § 613a Abs 1 S 2 BGB in das Arbeitsverhältnis zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer transformierten Normen entspricht regelmäßig derjenigen, die bei einem Austritt des Veräußerers aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband hinsichtlich des zur Zeit des Austritts geltenden Verbandstarifvertrags nach § 3 Abs 3 TVG gelten würde. Bei dem aus dem Arbeitgeberverband Ausgetretenen führt das Ende des Tarifvertrags ebenso wie der Abschluss eines neuen, ihn selbst betreffenden Tarifvertrags zu einem Ende der bisherigen zwingenden Bindung. Wird ein nachwirkender Tarifvertrag geändert, endet die Nachbindung im Erwerberbetrieb. Dies entspricht der Wirkungsweise bei der Nachbindung gemäß § 3 Abs 3 TVG. (Bundesarbeitsgericht vom 22.04.2009 – 4 AZR 100/08 – NZA 2010, 41).

2. Eine gemäß § 4 Abs 5 TVG nur nachwirkende Tarifnorm kann – soweit der Bereich der zwingenden Mitbestimmung (hier: § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG) betroffen ist – beim Fehlen einer Tarifbindung des Arbeitgebers durch eine ungünstigere Betriebsvereinbarung abgelöst werden.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 Sätze 2, 4; TVG § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen 8 Ca 6445/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.07.2013; Aktenzeichen 4 AZR 961/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 1.3.2011 – 8 Ca 6445/10 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Fortgeltung tariflicher und betrieblicher Regelungen nach erfolgten Betriebsübergängen.

Der am XXX geborene Kläger, seit 1. September 1994 Mitglied der A, ist mit einer anrechenbaren Dienstzeit seit 1. Oktober 1977 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Field-Servicetechniker zu einer Bruttomonatsvergütung von derzeit 4.715,17 EUR beschäftigt.

Die Beschäftigung erfolgte zunächst bei der Firma D. Sodann ging das Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die C über. Diese vereinbarte als Firmentarifvertrag mit der A einen Anerkennungstarifvertrag, der in der Fassung vom 29. Oktober 1999 unter anderem folgenden Inhalt hat:

„2. Geltungsbereich

Dieser Vertrag gilt für alle in den Firmen beschäftigten Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der A sind. (…).

3. Anerkennung der Tarifverträge

3.1 Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages geltenden Tarifverträge für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes Südbaden, abgeschlossen zwischen der A-Vorstand oder Bezirksleitung S- und dem B (Gesamtmetall) oder dem G oder dem E in F, „Tarifvertragswerk”) sind Bestandteil dieses Vertrages und gelten für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich aufgeführten Arbeitnehmer.

3.2 Das Tarifvertragswerk gilt unmittelbar zwischen den Parteien dieses Vertrages.

3.3 Das gegenwärtig geltende Tarifvertragswerk ist in der Anlage A bezeichnet, die Teil dieses Vertrages ist.

4. Rechtsstatus der Tarifverträge

4.1 Die in Bezug genommenen Tarifverträge (auch die nachwirkenden) gelten in der jeweils gültigen Fassung und mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus.

4.2 Werden diese Tarifverträge oder Teile von ihnen gekündigt, gelten sie auch zwischen den Parteien dieses Anerkennungstarifvertrages als gekündigt.

(Unter 5. bis 10. erfolgen Sonderregelungen in Bezug auf das Unternehmen der C.)

11. Inkrafttreten und Kündigung

11.1 Dieser Vertrag tritt am 1.12.1998 in Kraft und läuft auf unbestimmte Zeit. Er löst alle bei der K und ihren Töchterunternehmen geltenden Tarifverträge ab.

12. Verschiedenes

Dieser Vertrag hat die Anlagen A bis D. Diese sind wesentlicher Bestandteil des Vertrages.”

In der Anlage A zum Anerkennungstarifvertrag vom 27.11.1998 in der Fassung vom 29. Oktober 1999 werden folgende Tarifverträge aufgeführt:

  1. Manteltarifvertrag, Arbeiter und Angestellte vom 8.5.1990/11.12.1996
  2. Manteltarifvertrag, Auszubildende vom 29. April 1987/11. Dezember 1996
  3. Urlaubsabkommen, Arbeiter und Angestellte vom 11. Dezember 1996
  4. Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag (LGRTV 1) vom 11.12.1988
  5. Lohnabkommen vom 11. Dezember 1996
  6. Gehaltsabkommen vom 11. Dezember 1996
  7. Ausbildungsvergütungen vom 11. Dezember 1996
  8. Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen, Arbeiter und Angestellte vom 11.12.1996
  9. Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen, Auszubildende vom 11.12. ...

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