keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorruhestand. mittelbare Diskriminierung. Beurlaubungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Verstoß gegen Art 141 EG Vertrag angenommen bei einer tarifvertraglichen Regelung, die einen Bezug von Beurlaubungsgeld bis zur frühest möglichen Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorsah, was mittelbar zu einer Benachteiligung von Frauen führte, die vor dem 1.1.1952 geboren wurden und mithin bereits ab dem 60. Lebenjahr einen Anspruch auf Rente hatten.

 

Normenkette

BGB 612; EG-Vertrag Art. 141

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.02.2006; Aktenzeichen 12 Ca 6478/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.01.2011; Aktenzeichen 9 AZR 565/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2006, Az. 12 Ca 6478/05 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

99.932,40 Euro brutto abzüglich

47.428,56 Euro netto sowie abzüglich weiterer

4.919,40 Euro netto zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Betriebsrente der Klägerin ab dem 01. Oktober 2007 um monatlich 157,33 Euro erhöht.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 64 %, die Klägerin 36 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin über das 60. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Beurlaubungsgeld zu zahlen, ferner darum, den sich hieraus ergebenden Abschlag beim Rentenbezug auszugleichen, dies unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung von Frauen.

Die am 21.09.1944 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) ist seit dem 01.07.1964 bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte), einer Krankenkasse, beschäftigt. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 14.04.1994 (Bl. 61 d.A.) wird Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Manteltarifvertrag der Techniker Krankenkasse (im Folgenden: TKT), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 99 d.A.), anwendbar.

Die Klägerin war zunächst bis zum 30.09.2001 aktiv beschäftigt, im Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 30.10.2002 war die Klägerin auf eigenen Wunsch unbezahlt freigestellt.

Mit Wirkung ab dem 01. Oktober 2002 wurde die Klägerin auf eigenen Wunsch gem. § 30 Abs. 2 TKT beurlaubt. Auf das entsprechende Schreiben der Beklagten (Anlage B 4, Bl. 100 d.A.) wird Bezug genommen. Das für den Zeitraum der Beurlaubung bezahlte Entgelt berechnete die Beklagte in Höhe von 75% von EUR 3.589,50, mithin EUR 2.692,13 monatlich. In der Folgezeit erhöhten sich die Bezüge für den Beurlaubungszeitraum auf monatlich EUR 2.775,90. Hinsichtlich des Endes des Beurlaubungszeitraums enthält § 30 Abs. 3 TKT folgende Regelung:

„Die Beurlaubung endet mit einem Bezug der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen ist.” Auf diese Bestimmung wies die Beklagte die Klägerin u.a. im Schreiben vom 04.09.2002 hin. Hierin heißt es:

„Gemäß § 30 Abs. 3 TKT sind Sie verpflichtet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Antrag auf Altersrente zu stellen (vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente); nach unseren Unterlagen ab dem 01.10.2004 und dabei auch etwaige Abschläge bei der Rentenhöhe in Kauf zu nehmen.”

Die Klägerin erhielt unter dem 16.07.2004 einen Rentenbescheid für den Zeitraum ab dem 01.10.2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage zur Klageschrift, Bl. 16 d.A.). Dieser wies eine monatliche Rente ab dem 01.10.2004 in Höhe von EUR 1.317,46 aus. Ferner erhält die Klägerin eine Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: VBL) in Höhe von EUR 136,65.

Im Streit zwischen den Parteien ist ferner die Höhe der Betriebsrente, die nach der Anlage 6 a zum TKT berechnet wird (Anlage B 5, Bl. 102 d.A.). Für die Berechnung des Gesamtruhegeldes legte die Beklagte 37 anrechnungsfähige Beschäftigungsjahre zugrunde, woraus sich ein Gesamtruhegeld in Höhe von 75% des ruhegehaltfähigen Gehalts ergab. Nach Buchstabe a) der Nr. 11 zur Anlage A zum TKT wird auf das Gesamtruhegeld die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe angerechnet, und zwar auch dann, wenn die Rente ruht. Zweitinstanzlich verfolgt die Klägerin einen Differenzbetrag in Höhe von EUR 157,33 monatlich weiter, der sich daraus ergibt, dass ein männlicher Mitarbeiter maximal einen Rentenabzug in Höhe von 7,2% für die hier streitigen 3 Jahre hätte.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Mai 2005 begehrte die Klägerin die Fortführung der Beurlaubung nach § 30 MTV unter dem Aspekt der Gleichbehandlung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Nachdem die Beklagte dieser Forderung nicht nachkam, macht sie die entsprechenden Ansprüche mit ihrer am 28.07.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend. Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellte...

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