Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die durch das SokaSiG teilweise angeordnete echte Rückwirkung ist ausnahmsweise verfassungsrechtlich unbedenklich.

 

Orientierungssatz

Erfolglose Berufung des Arbeitgebers gegen Beitragsklage der Kasse. Einwände nur verfassungsrechtlicher Natur. Hinweis auf BAG Pressemitteilung vom 20.11.2018.

 

Normenkette

SokaSiG

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.10.2017; Aktenzeichen 6 Ca 366/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.09.2020; Aktenzeichen 10 AZR 9/19)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2017 - 6 Ca 366/17 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.

Der Beklagte unterhielt im Kalenderjahr 2012 einen baugewerblichen Betrieb, in welchem arbeitszeitlich überwiegend Trockenbauarbeiten ausgeführt wurden. Den tarifschließenden Verbänden des Baugewerbes gehörte er nicht an.

Auf Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung vom 21. Dezember 2011 nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Mindestbeiträgen für einen gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum von Januar 2012 bis November 2012 i.H.v. 7.073,- EUR in Anspruch.

Der Kläger beantragte am 13. Dezember 2016 hinsichtlich dieser Forderung den Erlass eines Mahnbescheides, welcher am 17. Januar 2017 antragsgemäß erging und dem Beklagten am 20. Januar 2017 zugestellt wurde. Mangels eines Widerspruches erging am 04. Mai 2017 gegen den Beklagten der Vollstreckungsbescheid, welcher ihm am 09. Mai 2017 zugestellt wurde und gegen den der Beklagte mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 am 11. Mai 2017 Einspruch einlegen ließ.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen, da die in seinem Betrieb im Kalenderjahr 2012 beschäftigten Arbeitnehmer jeweils arbeitszeitlich überwiegend Trockenbauarbeiten ausgeführt hätten.

Der Kläger hat beantragt, den Vollstreckungsbescheid vom 04. Mai 2017 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat die Aufhebung des Vollstreckungsbescheides vom 04. Mai 2017 und die Abweisung der Klage beantragt. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die auf das am 25. Mai 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) gestützte Klage beträfe einen anderen Streitgegenstand als solche Klagen, die auf die für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifverträge gestützt würden. Daher sei die Verfallfrist für Ansprüche aus dem Kalenderjahr 2012 mit Ablauf des 31. Dezember 2016 abgelaufen und die streitgegenständliche Forderung mithin verjährt.

Im Übrigen hat der Beklagte die Auffassung vertreten, das SokaSiG sei verfassungswidrig.

Hinsichtlich des Parteivorbringens erster Instanz im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen sowie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 11. Oktober 2017 den Vollstreckungsbescheid vom 04. Mai 2017 aufrechterhalten und angenommen, der Anspruch folge aus §§ 18 Abs. 2, 21 VTV vom 18. Dezember 2009 (bei der von dem Arbeitsgericht niedergeschriebenen Bezeichnung von § 22 statt § 21 handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler) in Verbindung § 7 Abs. 6 SokaSiG, da der Beklagte unstreitig einen baugewerblichen Betrieb unterhalten habe und die Forderung infolge der Regelung des SokaSiG bestehe und im Übrigen auch nicht verjährt oder verfallen sei.

Das Arbeitsrecht offen gelassen, ob die Anspruchsbegründung des Klägers mit den Regelungen des SokaSiG im Gegensatz zur ursprünglichen Anspruchsbegründung mit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV einen neuen Streitgegenstand darstelle. Selbst wenn man dies annähme, so ergäbe sich aus § 213 BGB, dass die Verjährung jedenfalls durch die Einreichung des Mahnbescheids am 13. Dezember 2016 gehemmt worden sei.

Das Arbeitsrecht hat weiter zugrunde gelegt, dass das SokaSiG mit den Vorschriften des Grundgesetzes vereinbar sei, insbesondere sei die vorliegend anzuerkennende echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig. Darüber hinaus stelle das SokaSiG weder ein verbotenes Einzelfallgesetz gemäß Art. 19 Abs. 1 GG dar, noch verstoße es gegen Art. 9 Abs. 3, 12 oder 14 GG.

Bezüglich der Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Beklagten am 22. November 2017 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22. Dezem...

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