Leitsatz (amtlich)

1. Zur rechtlichen Einordnung der auf Dauer angelegten Zusammenarbeit zwischen einem Zeitungsverlag und einer sog. ständig unständigen Beschäftigten, die als sog. „Stammfrau” regelmäßig zu ständig wiederkehrenden Hilfsarbeiten bei der Herstellung einer Wochenzeitschrift herangezogen wird: Unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis oder für jeden Einsatz befristete Arbeitsverträge.

2. Zur Auslegung einer Betriebsvereinbarung; insbesondere zur Bedeutung des Wortlauts, des Gesamtzusammenhangs und der tatsächlichen Anwendung einer Betriebsvereinbarung für die Auslegung.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 77; BGB §§ 620, 611; BeschFG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 05.10.1987; Aktenzeichen 5 Ca 251/87)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.01.1990; Aktenzeichen 6 AZR 485/88)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Darmstadt vom05.10.1987 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anspruchsberechtigung der Klägerin für das A. Treuegeld.

Die Klägerin arbeitete seit dem 01.02.1978 in der Druckerei der Beklagten in D. als sog. ständigungständig Beschäftigte. Sie war als Hilfskraft an Sammelhefter bei der Herstellung der Wochenzeitschriften „H.” und „Der S.” eingesetzt. Sie leistete vom 01.02.1986 bis 31.01.1987 für die Beklagte 138 Schichten zu 7.5 Stunden, In weiteren 26 Schichten war die Klägerin arbeitsunfähig krank. In den früheren Jahren der Beschäftigung arbeitete die Klägerin rund 160 Schichten jährlich.

Die Beklagte erteilte der Klägerin monatlich Lohnabrechnungen (vgl. die Abrechnungen für Februar 1986 bis Januar 1987, Bl. 30 ff d. A.) und führte für sie Steuer; Sozialversicherungsbeiträge sowie vermögenswirksame Leistungen ab. Wenn die Klägerin arbeitsunfähig krank war, gewahrte ihr die Beklagte Lohnfortzahlung nach den Lohnfortzahlungsgesetz. Die Beklagte gewährte der Klägerin ferner Urlaub sowie ein zusätzliches Urlaubsgeld; Grundlage hierfür waren zwei Betriebsvereinbarungen vom 07.12.1978 (Bl. 13, f d. A.), die speziell für unständig Beschäftigte abgeschlossen waren.

Bei der Beklagten gab es seit den 70-er Jahren ein sog. „A. -Treuegeld” (im folgenden kurz Treuegeld). Es wurde mit anderen freiwilligen Leistungen der Beklagten jeweils in einer für ein Jahr geltenden Betriebsvereinbarung festgelegt (vgl. die Druckschrift „Freiwillige Leistungen '87”, Hülle Bl. 17 d. A.[1] ). 1987 betrug dieses Treuegeld nach einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren 1.700,– DM. Teilzeitbeschäftigte erhielten das Treuegeld anteilig entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit, mindestens jedoch 50 % des genannten Betrages.

Der Personenkreis, dem die freiwilligen Leistungen gemäß der für 1987 geltenden Betriebsvereinbarung zustand, wurde für die einzelnen Leistungen unterschiedlich bezeichnet. So wurde das Treuegeld den „Betriebsangehörigen” und das Jubiläumsgeld den „festangestellten Betriebsangehörigen” zugesagt.

In der Vergangenheit gewährte die Beklagte das Treuegeld nicht den unständig Beschäftigten einschließlich der ständig unständig Beschäftigten. Dementsprechend erhielt die Klägerin nicht die früheren Stufen des Treuegeldes, die nach einer Betriebszugehörigkeit von 3 und 5 Jahren füllig waren.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin das Treuegeld für 10-jährige Betriebszugehörigkeit. Hierzu hat sie vorgetragen:

Nach der Betriebsvereinbarung „Freiwillige Leistungen '87” stehe das Treuegeld allen Betriebsangehörigen und somit auch den unständig Beschäftigten zu. Die genannte Betriebsvereinbarung unterscheide in Bezug auf die einzelnen freiwilligen Leistungen genau, ob die Leistungen nur den „festangestellten Betriebsangehörigen” zustehen, wie dies z. B. bei dem Jubiläumsgeld, dem Urlaubsgeld und den Leistungen aus familiärem Anlaß der Fall sei, oder ob alle Betriebsangehörigen anspruchsberechtigt seien.

Entsprechend dem Ausmaß ihrer Beschäftigung im letzten Jahr vor dem Stichtag könne sie ein anteiliges Treuegeld in Höhe von 74,54 % des vollen Treuegeldes von 1.300,– DM verlangen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 969,02 DM nebst 4 % Zinsen seit der Zustellung der Klage am 26.6.1987 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Das Treuegeld könnten nur die festangestellten Betriebsangehörigen und somit nicht die unständig Beschäftigten verlangen. Dies sei auch stets die Auffassung des Gesamtbetriebsrats bzw. des Betriebsrats gewesen. Die unständig Beschäftigten wie die Klägerin ständen nicht in einem festen Arbeitsverhältnis, sondern arbeiteten nur auf Abruf. Für ihren Anspruch auf Treuegeld fehle es an einer Rechtsgrundlage, wie sie wegen des Urlaubs und des Urlaubsgeldes durch die zwei Betriebsvereinbarungen vom 7.12.1978 (Bl. 13 f d.A.) speziell für die unständig Beschäftigten geschaffen worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 5.10.1987 (Bl. 45 -49 d...

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