Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuegeld. Rechtsverhältnis einer Zeitungseinlegerin

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 12.07.1988; Aktenzeichen 7 Sa 1578/87)

ArbG Darmstadt (Urteil vom 05.10.1987; Aktenzeichen 5 Ca 251/87)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1988 – 7 Sa 1578/87 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Treuegeld.

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Druckerei in D. seit dem 1. Februar 1978 als Zeitungseinlegerin tätig. In der Druckerei werden dienstags und mittwochs in der Früh- und Spätschicht die Zeitschrift „H.” und sanstags in der Spät- und Nachtschicht das Magazin „D.” hergestellt. In der Nachtschicht werden nur Männer zur Arbeit herangezogen. In der Früh- und Spätschicht benötigt die Beklagte je Schicht 35 Einlegerinnen. Sie führt über die zum Arbeitseinsatz verfügbaren Mitarbeiterinnen eine Liste, in der u.a. 70 sogenannte Stammfrauen, darunter die Klägerin, verzeichnet sind. Zur Abdeckung der Regelproduktion setzte die Beklagte in erster Linie diese Stammfrauen ein. Nur bei deren Verhinderung oder zur Abdeckung eines Spitzenbedarfs wurden Studentinnen und Studenten zur Arbeit heranzogen.

Die Klägerin arbeitete grundsätzlich dienstags und mittwochs, bei Bedarf auch darüber hinaus. Jeweils in der Mitte der laufenden Woche wurde abgesprochen, wann sie in der darauffolgenden Woche zu arbeiten hatte. Auf diese Weise hat die Klägerin in der Zeit von Februar 1986 bis Januar 1987 insgesamt 138 Schichten zu je 7,5 Stunden gearbeitet. In weiteren 26 Schichten war sie arbeitsunfähig krank. In den davorliegenden Jahren lag der Arbeitseinsatz bei ca. 164 Schichten. Die Klägerin erhielt monatliche Lohnabrechnungen, wobei die Beklagte Steuern, Krankenkassenbeiträge, Sozialversicherungsbeiträge sowie vermögenswirksame Leistungen abführte. Im Krankheitsfall erhielt die Klägerin Lohnfortzahlung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz. Die Beklagte gewährte ihr ferner auf der Grundlage zweier Vereinbarungen für sogenannte unständig Beschäftigte vom 7. Dezember 1978 bezahlten Urlaub sowie Urlaubsgeld. Ein Angebot der Beklagten vom Februar 1986 zum Abschluß eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit einer monatlichen Arbeitszeit von 46 Stunden lehnte die Klägerin ab. Die Parteien schlossen jedoch im Verlauf des Rechtsstreits am 30. Dezember 1987 mit Wirkung zum 1. Januar 1988 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem sie eine monatliche Arbeitszeit von 111,25 Stunden für die Klägerin vereinbarten. Sie haben darin u.a. geregelt, daß als Eintrittsdatum der 1. November 1980 gilt, sofern sich Rechte aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit herleiten.

Die Beklagte gewährt seit den 70er-Jahren ihren Mitarbeitern ein sogenanntes A.-Treuegeld. Es wird mit anderen freiwilligen Leistungen jährlich in einer für ein Jahr geltenden Betriebsvereinbarung festgelegt. Die Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1987 enthält in ihrem Abschnitt 2 – Vergünstigungen für längere Betriebszugehörigkeit – u.a. folgende Regelungen:

„A.-Treuegeld

  1. Betriebsangehörige erhalten ein nach Betriebszugehörigkeit gestaffeltes steuerpflichtiges Treuegeld;

    nach 3 Jahren

    DM

    1.100,–

    nach 5 Jahren

    DM

    1.300,–

    nach 10 Jahren

    DM

    1.500,–

    nach 15 Jahren

    DM

    1.700,–

    nach 20 Jahren

    DM

    1.900,–

    nach 25 Jahren

    DM

    2.100,–

  2. Das Treuegeld wird allen Betriebsangehörigen, die sich am Stichtag in einem ungekündigten oder aus betriebsbedingten Gründen gekündigten Arbeitsverhältnis befinden, gewährt. (Stichtag ist das Eintrittsdatum).

    Teilzeitbeschäftigte erhalten das Treuegeld anteilig entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit, mindestens jedoch 50 % der oben angegebenen Beträge.

  3. Das Treuegeld wird am Ende des Monats gezahlt, in dem sich die Betriebszugehörigkeit jährt.

    Jubiläumsgeld

  4. Festangestellte Betriebsangehörige erhalten anläßlich ihres Dienstjubiläums folgende Zuwendungen:
  5. …”

Dieser Text wurde in der für das Jahr 1988 geltenden Betriebsvereinbarung geändert. Nunmehr steht das Treuegeld ausdrücklich nur den „festangestellten Betriebsangehörigen” zu.

Die Klägerin hat gemeint, sie habe entsprechend dem Ausmaß ihrer Beschäftigung Anspruch auf 74,54 % anteilige Zahlung des Treuegeldes für 5-jährige Betriebszugehörigkeit in rechnerisch unstreitiger Höhe. Der Anspruch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1987. Sie sei schon vor Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30. Dezember 1987 Betriebsangehörige im Sinne der Treuegeldregelung gewesen, weil sie regelmäßig an zwei Tagen in der Woche und bei Bedarf darüber hinaus gearbeitet habe. Sollten die Jeweiligen Arbeitseinsätze als befristete Arbeitsverhältnisse anzusehen sein, so sei wegen der Unwirksamkeit der Befristungen ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Die Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1988, die den von ihr erfaßten Personenkreis nunmehr auf festangestellte Betriebsangehörige beschränke, habe auf ihren Anspruch aus dem Jahr 1987 keinen Einfluß. Dieser Anspruch bleibe auch von den seit dem 1. Januar 1988 zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingungen unberührt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 969,02 DM nebst 4 % Zinsen seit der Zustellung der Klage am 26. Juni 1987 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1987 habe nur auf festangestellte Beschäftigte Anwendung gefunden. Die Klägerin sei im Jahr 1987 keine Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen. Sie sei lediglich als Abrufarbeitskraft ohne Verpflichtung, ihre Arbeitsleistung anbieten zu müssen, tätig gewesen. Nur bei Bedarf sei sie jeweils von Woche zu Woche in kurzzeitige Arbeitsverhältnisse zu der Beklagten getreten. Über die jeweiligen Arbeitsverhältnisse hinaus habe es keine arbeitsvertraglichen Rahmenbeziehungen gegeben. Die Klägerin habe sich auch selbst nicht fest an den Betrieb binden wollen, wie ihre Ablehnung des Angebots zum Abschluß eines Teilzeitarbeitsverhältnisses im Jahre 1986 zeige. Da mit der Klägerin bis zum Jahre 1988 niemals eine Dauerbeschäftigung über einen bestimmten Endtermin hinaus vereinbart gewesen sei, liege auch keine unzulässige Befristung vor. Schließlich stehe dem Anspruch der Klägerin der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30. Dezember 1987 entgegen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage entsprochen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung über freiwillige. Leistungen für das Jahr 1987. Denn die Klägerin sei schon vor Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrages Betriebsangehörige im Sinne dieser Betriebsvereinbarung gewesen. Zwischen den Parteien habe über die jeweiligen Arbeitseinsätze hinaus ein durchgehendes Dauerarbeitsverhältnis bestanden. Das folge insbesondere daraus, daß die Beklagte der Klägerin monatliche Lohnabrechnungen erteilt und Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle gewährt habe. Ebenso spreche die Betriebsorganisation der Beklagten und die tatsächliche Heranziehung der Klägerin zur Arbeit für ein von vornherein auf Dauer angelegtes Arbeitsverhältnis. Sollte aber trotz der auf Dauer angelegten Zusammenarbeit zwischen den Parteien immer nur ein auf den jeweiligen Arbeitseinsatz befristetes Arbeitsverhältnis begründet worden sein, habe die Beklagte jedenfalls gegen die Grundsätze über die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge verstoßen, weil die einzelnen Befristungen eines sachlichen Grundes entbehrten. Da die Klägerin somit Betriebsangehörige im Sinne der Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1987 gewesen sei und in der Betriebsvereinbarung in keiner Weise zum Ausdruck gekommen sei, daß sogenannte unständig Beschäftigte von der Vergünstigung ausgeschlossen sein sollten, stehe ihr schon nach dem Wortlaut das Treuegeld zu. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lasse sich entnehmen, daß das Treuegeld allen Beschäftigten zustehen sollte. Denn in der Betriebsvereinbarung 1987 sei bei anderen Vergünstigungen ausdrücklich festgelegt worden, daß diese nur den festangestellten Betriebsangehörigen zugute kommen sollten. Dem Anspruch der Klägerin könne nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, nach der Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1988 werde das Treuegeld nur an festangestellte Betriebsangehörige gezahlt. Diese Regelung gelte erst mit Wirkung vom 1. Januar 1988. Aus demselben Grunde wirke sich die Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 30. Dezember 1987, wonach als Eintrittsdatum der 1. November 1980 bestimmt worden sei, auf den Treuegeldanspruch der Klägerin nicht aus.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Treuegeldes folgt aus der Betriebsvereinbarung „Freiwillige Leistungen '87” vom Januar 1987, Abschnitt 2 A.-Treuegeld Nr. 1 und 2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschriften.

1. Die Klägerin ist Betriebsangehörige in Sinne des Abschnitts 2 A.-Treuegeld Nr. 1 und 2 der Betriebsvereinbarung 1987. Das ergibt die Auslegung des von den Betriebspartnern der Betriebsvereinbarung nicht näher erläuterten Begriffs.

a) Die Auslegung normativer Betriebsvereinbarungsbestimmungen folgt den für die Auslegung von Gesetzen und normativen Teilen von Tarifverträgen geltenden Regelungen (Senatsbeschluß vom 27. Mai 1982 – 6 ABR 105/79BAGE 39, 102 = AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG 1979). Auszugehen ist zunächst von Wortlaut. Ober den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner mitzuberücksichtigen, soweit er im Wortlaus der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Ferner ist auf den Gesamtzusammenhang abzustellen, wenn dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebspartner liefert und nur so der Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung ermittelt werden kann. Sind zweifelsfreie Auslegungsergebnisse so nicht zu gewinnen, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Betriebsvereinbarungen heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

b) Nach dem Wortlaut der Bestimmungen in der Treuegeldvereinbarung ist der mehrfach verwandte Begriff Betriebsangehöriger nicht eindeutig. Darunter können alle Beschäftigten verstanden werden, die für den Betriebsinhaber im Rahmen der Betriebsorganisation tätig sind, also neben den Arbeitnehmern auch freie Mitarbeiter eines Dienstvertragsverhältnisses. Ebenso kann unter einem Betriebsangehörigen aber auch nur derjenige verstanden werden, der als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts angesehen wird. Auch der Gesamtzusammenhang, wie er sich aus dem weiteren Text der Betriebsvereinbarung ergibt, ist nicht eindeutig. Einerseits unterscheidet die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der einzelnen Vergünstigungen den Personenkreis in Betriebsangehörige und festangestellte Betriebsangehörige. Die Bezeichnung festangestellte Betriebsangehörige wäre ein Pleonasmus, sollten zu den Betriebsangehörigen nur Personen in einem Dauerarbeitsverhältnis gezählt werden. Daraus könnte gefolgert werden, daß die Betriebspartner den weiteren Begriff für den Betriebsangehörigen verwandt haben. Andererseits erwirbt den Anspruch auf Treuegeld nicht jeder Betriebsangehörige, sondern nur derjenige, der sich am Stichtag in einem ungekündigten oder aus betriebsbedingten Gründen gekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Damit beschränkt die Treuegeldvereinbarung den Kreis der nach Nr. 1 anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen auf diejenigen, die Arbeitnehmer sind. Denn nur diese können sich in einem Arbeitsverhältnis befinden.

2. Die Klägerin ist bereits im Jahre 1987 Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen.

a) Mach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis vom Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete steht (BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 36, 77 = AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Mach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und persönlich abhängig ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Allerdings gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des unselbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu. Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses entscheidet der Vertragsinhalt, nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine von ihnen gewählte Bezeichnung, die dem Vertragsinhalt in Wahrheit nicht entspricht. Der jeweilige Vertragstyp kann nur aus dem wirklichen Vertragsinhalt erkannt werden. Dieser kann sich sowohl aus der getroffenen Vereinbarung wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Es ist für die Statusbeurteilung unerheblich, ob eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung vorliegt. Eine verkürzte Arbeitszeit hat regelmäßig keinen Einfluß auf den Grad der Abhängigkeit vom Dienstherrn, es sei denn, die Arbeitszeit ist sehr geringfügig.

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht aus der Praxis, wie sie von den Parteien geübt worden ist, zutreffend geschlossen, die Klägerin sei Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen. Die gegen diese Würdigung gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch. Zunächst räumt die Beklagte ein, daß die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum während ihres Schichteinsatzes in den Betrieb der Beklagten eingegliedert war, weisungsgebunden zu arbeiten und fremdbestimmte Arbeit zu leisten hatte. Wenn die Beklagte jedoch meint, über diesen einzelnen Einsatz hinaus seien keinerlei wie auch immer geartete übergreifende Rahmenbeziehungen zwischen den Parteien entstanden, insbesondere sei die Beklagte weder verpflichtet gewesen, der Klägerin irgendwelche Tätigkeiten zuzuweisen, noch habe für die Klägerin eine Verpflichtung bestanden, ein von der Beklagten unterbreitetes Angebot anzunehmen, so vernachlässigt sie die weiteren, mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. So bekam die Klägerin während des Einsatzes die Mitteilung, für welche Zeit sie in der nächsten Woche zu arbeiten hatte. Bereits diese Praxis deutet auf ein dauerhaftes Teilzeitarbeitsverhältnis hin. Die weiteren Umstände wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Gewährung von Urlaub und zusätzlichem Urlaubsgeld, die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen entsprechen den Maßnahmen eines Arbeitgebers in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit. Angesichts dessen mag die Klägerin im Einzelfall berechtigt gewesen sein, eine Aufforderung für eine oder mehrere bestimmte Schichten aus persönlichen Gründen zu verweigern, wie die Beklagte weiterhin behauptet. Angesichts der bereits genannten Umstände und der ungerügten Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe seit 1978 regelmäßig in jeder Woche, von krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen abgesehen, zumindest dienstags und mittwochs je eine Schicht von 7,5 Stunden gearbeitet und sei darüber hinaus bei Bedarf auch an anderen Wochentagen eingesetzt worden, kommt diesem Umstand bei der Bewertung der Gesamtumstände keine entscheidende Bedeutung zu. Denn die Klägerin war in die Betriebsorganisation der Beklagten fest eingeplant. Sie war in der Liste der 70 sog. Stammfrauen verzeichnet, die zunächst zur Arbeit herangezogen wurden. Diese Vorgehensweise zeigt, daß die Zusammenarbeit der Parteien von vornherein auf Dauer festgelegt war. Wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, steht der Annahme eines Dauerarbeitsverhältnisses die Ablehnung der Klägerin im Jahre 1986, einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit einer monatlichen Arbeitszeit von 46 Stunden abzuschließen, nicht entgegen. Denn sie hätte sich mit diesem Arbeitsvertrag schlechter gestanden als zuvor mit einer monatlichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 112 Stunden.

3. Erfüllt die Klägerin nach dem Wortlaut die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung, so kommt es auf die weiteren Auslegungskriterien nicht mehr entscheidend an. Aus dem Gesamtzusammenhang mit anderen Regelungen der Betriebsvereinbarung über freiwillige Leistungen für das Jahr 1987 folgt kein anderes Ergebnis. Zwar gewährte die Beklagte den ständig unständig Beschäftigten in Abweichung zu den übrigen Arbeitnehmern bezahlten Urlaub und Urlaubsgeld aufgrund zweier nur für diesen Arbeitnehmerkreis geltenden Betriebsvereinbarungen vom 7. Dezember 1978. Das besagt aber nur, daß sie diese Arbeitnehmergruppe hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Urlaub entstehenden Ansprüche anders behandeln wollte. Daraus kann nicht der Schluß gezogen werden, auch hinsichtlich des Treuegeldes sollten die unständig Beschäftigten nicht von der Treuegeldvereinbarung erfaßt werden. Sinn und Zweck der Zahlung eines Treugeldes gebietet es ebenfalls, eine Anspruchsberechtigung der Klägerin anzunehmen. Das Treuegeld soll dem Arbeitnehmer Anreiz für das Festhalten am Arbeitsverhältnis bieten. Damit soll eine Fluktuation des Arbeitskräftebestandes vermieden werden, was den Arbeitgeber davon entbindet, am freien Arbeitsmarkt ständig neue Arbeitskräfte suchen und einarbeiten zu müssen. Das trifft für die Einlegerinnen ebenso wie für andere Arbeitskräfte zu. Unbeachtlich ist der von der Revision vorgelegte Rundbrief des Gesamtbetriebsrats, in dem der Gesamtbetriebsratsvorsitzende auf Seite 10 sich dahingehend geäußert hat, daß ständig unständig Beschäftigte von dem Katalog der freiwilligen Leistungen völlig ausgeschlossen seien. Unabhängig von der Frage, inwieweit der Senat verpflichtet ist, den insoweit neuen Sachvortrag zu berücksichtigen, verbietet sich bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung der Rückgriff auf Äußerungen und Vorstellungen der Betriebspartner, die nicht im Wortlaut der Betriebsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden haben. Aus diesem Grund kann auch das Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme keine Berücksichtigung finden.

4. Die am 23. Dezember 1987 geschlossene Betriebsvereinbarung, wonach unständig Beschäftigte, für die keine vertragliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestehe, für 1988 keinen Anspruch auf Treuegeld und Altersversorgung haben, berührt den Anspruch der Klägerin für die Vergangenheit nicht. Dasselbe gilt für den späteren Arbeitsvertrag der Parteien vom 30. Dezember 1987, wonach als Eintrittsdatum für Rechte aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit der 1. November 1980 vereinbart worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat darin keinen Verzicht der Klägerin auf ihre Forderung gesehen. Mit dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht einen atypischen, auf den Betrieb der Beklagten beschränkten Einzelarbeitsvertrag ausgelegt. Diese Auslegung ist durch das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Bewertung Rechtsbegriffe verkannt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat, ob die Auslegung gegen Auslegungsregeln oder die Lebenserfahrung verstößt oder ob sie widerspruchsvoll ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: vgl. BAGE 55, 309, 314 = AP Nr. 13 zu § 74 c HGB). Derartige revisible Fehler sind nicht erkennbar, im übrigen von der Beklagten auch nicht gerügt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Röhsler, Schneider, Dörner, Ziegenhagen, Buschmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1015716

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