Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 10.03.2010, 8 Sa 1240/09, das vollständig dokumentiert ist. Vorliegen einer Betriebsvereinbarung. Gesamtzusage. verschlechternde Ablösung

 

Leitsatz (redaktionell)

Leistet der Arbeitgeber aufgrund einer Gesamtzusage betriebliche Altersversorgung, kann diese durch eine kollektiv nicht ungünstigere Betriebsvereinbarung geändert werden, nicht aber durch eine „gemeinsame Erklärung” der die Rechtsqualität einer Betriebsvereinbarung fehlt.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, § 151 S. 1, §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen 9/10 Ca 6285/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.04.2012; Aktenzeichen 3 AZR 401/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 27.05.2009 – 9/10 Ca 6285/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welcher Versorgungsordnung sich die Betriebsrente des Klägers richtet.

Der am 11. November … geborene Kläger war vom 01. Juli 1976 bis zum 31. März 2003 bei der Beklagten angestellt. Im Oktober 1977 schrieb die Beklagte dem Kläger, dass sie ihn in ihr Versorgungswerk aufnehme und übersandte ihm die Versorgungsordnung 1976.

Die Versorgungsordnung 1976 enthielt folgende Bestimmung:

”Anrechenbare Besoldung Artikel 4

Als anrechenbare Besoldung gilt das im Gehaltstarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe festgelegte Monatsgehalt in der Endstufe derjenigen Gehaltsgruppe bzw. Gehaltszwischengruppe, die gemäß Dienstvertrag des Mitarbeiters für seine Besoldung im Monat Januar des Jahres maßgebend ist, in dem der Versorgungsfall eintritt bzw. eingetreten ist. Ferner wird gegebenenfalls die tarifliche Verantwortungszulage angerechnet.

Die Gesellschaft behält sich vor, für die Festsetzung der anrechenbaren Besoldung vom Gehaltstarifvertrag abzuweichen,

  • wenn die Tariferhöhung in einem Kalenderjahr mehr als 10% beträgt oder
  • wenn die Ertragslage der Gesellschaft sich nachhaltig so verschlechtert hat, dass ihr die Anpassung der anrechenbaren Besoldung an die Erhöhung des Tarifgehaltes nicht zugemutet werden kann.”

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Versorgungsordnung 1976 wird auf die Anlage zur Klageschrift verwiesen.

Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber unterschrieben eine undatierte „Gemeinsame Erklärung zur Änderung der betrieblichen Versorgung der Gesellschaften der deutschen … Versicherungs – Gruppe” (im Folgenden: „Gemeinsame Erklärung”). In dieser heißt es unter anderem:

„1. Der Änderung der betrieblichen Versorgung liegen zu Grunde:

  • die neue Versorgungsordnung in der Fassung von 1976
  • das Merkblatt zur Direktversicherung
  • das Merkblatt über die Leistungen bei Unfällen
  • diese gemeinsame Erklärung.

2. Jeder neu eintretende Mitarbeiter erhält vor oder bei Diensteintritt die Versorgungsordnung mit dem Merkblatt zur Direktversicherung, nach Ablauf der Probezeit das Merkblatt über die Leistungen bei Unfällen ausgehändigt. Der Mitarbeiter erhält eine Versorgungszusage, sobald er die Voraussetzungen gemäß Artikel 2 der Versorgungsordnung erfüllt und seine Zustimmung erteilt hat.

5. Mitarbeiter, deren Versorgungszusage die Versorgungsordnung in der Fassung von 1966 zugrunde liegt, erhalten fünf zusätzliche anrechenbare Dienstjahre anerkannt.

6 ….

Insgesamt gilt also die neue Versorgungsordnung in der Fassung von 1976 für alle Versorgungsfälle die nach dem 1. Januar 1977 eingetreten sind oder eintreten werden.

…”

Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die Anlage 2 zur Klageerwiderung vom 7. November 2008 verwiesen.

Im Jahr 1990 wurde im Konzern der Beklagten eine Kostenkommission gebildet, um Einsparpotentiale in allen Bereichen zu sichten und Umsetzungsmaßnahmen vorzuschlagen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1990 teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern mit:

„Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

wie Sie wissen, haben wir in unsere Überlegungen, die Kostensituation zu verbessern, auch die Aufwendungen für unsere überdurchschnittlich ausgestattete Versorgungszusage – einschließlich Direktversicherung – einbezogen.

Wir freuen uns, Ihnen bestätigen zu können, dass für alle angestellten Mitarbeiter des Außen- und Innendienstes, die vor dem 01.01.1991 in die Dienste der … Versicherungen Deutschland getreten sind und eine Versorgungszusage nach der Versorgungsordnung 1976 erhalten haben, die gegebene Versorgungszusage auch weiterhin bestehen bleibt, insofern also der Besitzstand gewahrt ist.

Wir konnten damit zwar den Wunsch des Gesamtbetriebsrats, die Versorgungszusage auch künftig für neue Mitarbeiter aufrechtzuerhalten, nicht erfüllen, werden uns aber bemühen, die Versorgungsbedürfnisse der neuen Mitarbeiter bei der Neuregelung unserer betrieblichen Versorgung weitgehend zu bedenken.

Wir schließen die Versorgungsregelung von 1976 mit Wirkung ab 01.01.1991 für neu eintretende Mitarbeiter mit dem Ziel, sie den im Markt üblichen Verhältnissen anzupassen. Darüber...

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