Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Vorliegen einer Betriebsvereinbarung. Gesamtzusage. Verschlechternde Ablösung

 

Orientierungssatz

1. Beruht die zugesagte betriebliche Altersversorgung auf einer Gesamtzusage des Arbeitgebers, kann sie durch eine nachträgliche Betriebsvereinbarung nur geändert werden, wenn die Betriebsvereinbarung die Gesamtzusage bei kollektiver Betrachtung nicht verschlechtert oder diese unter dem Vorbehalt einer Abänderung durch Betriebsvereinbarung steht.

2. Macht der Betriebsrat seit Längerem sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung geltend, spricht es gegen das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung, wenn die Betriebsparteien die Bezeichnung „Betriebsvereinbarung” vermeiden, die übliche Datierung des Schriftstückes unterlassen und auch auf den Aushang der Erklärung im Betrieb verzichten (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 03.06.1997 – 3 AZR 25/96 –).

3. Wird dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung durch Übersendung einer bestimmten Versorgungsordnung zugesagt, handelt es sich nicht um eine dynamische Verweisung auf außerhalb des Arbeitsvertrages liegende Regelwerke.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, § 151 S. 1, §§ 242, 133, 157; BetrAVG § 1 Abs. 1 Sätze 1, 3; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-3, § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen 9/1 Ca 7214/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.04.2012; Aktenzeichen 3 AZR 400/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 27.05.2009 – 9/1 Ca 7214/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welcher Versorgungsordnung sich die Betriebsrente des Klägers richtet.

Der am 11. September xxx geborene Kläger war vom 01. November 1962 bis zum 30. September 2007 bei der Beklagten angestellt. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1967 sagte die Beklagte dem Kläger die Aufnahme in ihr Versorgungswerk zu. Spätestens 1977 machte die Beklagte eine neue Versorgungsordnung, die Versorgungsordnung 1976 bekannt und übersandte sie auch dem Kläger.

Die Versorgungsordnung 1976 enthielt folgende Bestimmung:

„Anrechenbare Besoldung

Artikel 4

Als anrechenbare Besoldung gilt das im Gehaltstarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe festgelegte Monatsgehalt in der Endstufe derjenigen Gehaltsgruppe bzw. Gehaltszwischengruppe, die gemäß Dienstvertrag des Mitarbeiters für seine Besoldung im Monat Januar des Jahres maßgebend ist, in dem der Versorgungsfall eintritt bzw. eingetreten ist. Ferner wird gegebenenfalls die tarifliche Verantwortungszulage angerechnet.

Die Gesellschaft behält sich vor, für die Festsetzung der anrechenbaren Besoldung vom Gehaltstarifvertrag abzuweichen,

  • wenn die Tariferhöhung in einem Kalenderjahr mehr als 10% beträgt oder
  • wenn die Ertragslage der Gesellschaft sich nachhaltig so verschlechtert hat, dass ihr die Anpassung der anrechenbaren Besoldung an die Erhöhung des Tarifgehaltes nicht zugemutet werden kann.”

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Versorgungsordnung 1976 wird auf die Anlage zur Klageschrift verwiesen.

Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber unterschrieben eine undatierte „Gemeinsame Erklärung zur Änderung der betrieblichen Versorgung der Gesellschaften der deutschen xxx Versicherungs – Gruppe” (im Folgenden: „Gemeinsame Erklärung”). In dieser heißt es unter anderem:

„1. Der Änderung der betrieblichen Versorgung liegen zu Grunde:

  • die neue Versorgungsordnung in der Fassung von 1976
  • das Merkblatt zur Direktversicherung
  • das Merkblatt über die Leistungen bei Unfällen
  • diese gemeinsame Erklärung.

2. Jeder neu eintretende Mitarbeiter erhält vor oder bei Diensteintritt die Versorgungsordnung mit dem Merkblatt zur Direktversicherung, nach Ablauf der Probezeit das Merkblatt über die Leistungen bei Unfällen ausgehändigt. Der Mitarbeiter erhält eine Versorgungszusage, sobald er die Voraussetzungen gemäß Artikel 2 der Versorgungsordnung erfüllt und seine Zustimmung erteilt hat.

5. Mitarbeiter, deren Versorgungszusage die Versorgungsordnung in der Fassung von 1966 zugrunde liegt, erhalten fünf zusätzliche anrechenbare Dienstjahre anerkannt.

6. ….

Insgesamt gilt also die neue Versorgungsordnung in der Fassung von 1976 für alle Versorgungsfälle die nach dem 1. Januar 1977 eingetreten sind oder eintreten werden.

….”

Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die Anlage 1 zur Klageerwiderung vom 20. April 2009 verwiesen.

Im Jahr 1990 wurde im Konzern der Beklagten eine Kostenkommission gebildet, um Einsparpotentiale in allen Bereichen zu sichten und Umsetzungsmaßnahmen vorzuschlagen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1990 teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern mit:

„Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

wie Sie wissen, haben wir in unsere Überlegungen, die Kostensituation zu verbessern, auch die Aufwendungen für unsere überdurchschnittlich ausgestattete Versorgungszusage – einschließlich Direktversicherung – einbezogen.

Wir freuen uns, Ihnen be...

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