Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdachtskündigung. Erfolgreiche außerordentliche Verdachtskündigung wegen des Verdachts der Untreue, basierend auf den Vorwurf, der Kläger – kaufmännischer Leiter und Prokurist – habe im Rahmen der Ausschreibung vom Busverkehren unauskömmliche Angebote mitunterzeichnet und sei dadurch unverantwortliche Risiken für das Vermögen der Beklagten, eines Unternehmens des öffentlichen Personenverkehrs, eingegangen. Untreue durch Überschreiten des Verfügungsbefugnisses über fremdes Vermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

Der dringende Verdacht gegen einen Prokuristen eines Unternehmens des öffentlichen Personenverkehrs, er habe im Arbeitsverhältnis veruntreuende Vermögensgefährdungen begangen, kann die außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2; StGB § 266; HGB § 48 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 11.05.2006; Aktenzeichen 2 Ca 609/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts T vom 11. Mai 2006 – 2 Ca 609/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs mit 196 Mitarbeitern. Die Mehrheit ihrer Geschäftsanteile hält die A, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt T ist. Tochtergesellschaften der Beklagten sind die B und die C.

Der am … geborene, verheiratete und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 1.06.2001 bei der Beklagten auf der Grundlage der Arbeitsverträge vom 21.05.2001 (Bl. 95 d. A.) und vom 8.03.2002 (Bl. 96 d. A.) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Zum 1.09.2001 wurde er zum kaufmännischen Leiter der Beklagten und der Tochtergesellschaft B, am 16.10.2001 zudem zum Prokuristen ernannt. Als solcher war er gesamtvertretungsberechtigt für die Beklagte und die B. Sein steuerpflichtiges Bruttomonatseinkommen belief sich zuletzt auf EUR 8.177,42. Bei der Beklagten war er Leiter der Abteilung Planung, Organisation und Revision (Organigramm vom 28.06.2003, Bl. 1043 d. A.), für den Bereich der B oblag ihm die Betriebsleitung für den kaufmännischen Bereich (Organigramme vom 13.08.2003 u. 4.11.2004, Bl. 1044, 374 d. A.). Er unterstand jeweils unmittelbar der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand.

Am 1.06. 2005 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Bl. 4 d. A.), der u.a die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006 und die unwiderrufliche bezahlte Freistellung des Klägers ab dem 1.07.2005 vorsah. Über die Wirksamkeit dieser Vereinbarung streiten die Parteien noch vor dem Landesarbeitsgericht (Az.: 12 Sa 21/96).

Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer der Beklagten sowie Geschäftsführer der B war während der gesamten Tätigkeitszeit des Klägers Herr D. Er war wie der Kläger für beide Gesellschaften gesamtvertretungsberechtigt. Herr D beantragte wegen einer schweren Erkrankung am 30.05.2005 seine Versetzung in den Ruhestand. Seit der Vorstandssitzung am 1.06.2005 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt.

Der Kläger und Herr D arbeiteten eng zusammen. Sie unterzeichneten während ihrer Zusammenarbeit gemeinsam zahlreiche, die Beklagte bzw. die B verpflichtende Verträge. Darunter waren die Anmietung eines Ferienhauses in Südfrankreich (17./18.05.2005), der Abschluss eines Sponsoring Vertrages über eine VIP-Lounge bei E (4.02. 2005), der Kauf eines Pkw (4.03.2005) und eines Holzofens (Jan. 2005). Des Weiteren kauften sie ein neues Betriebsgrundstück in Eitersfeld, das als Betriebshof für den neu gewonnenen Verkehr H vorgesehen war. Bei einer baulichen Fachbegutachtung am 26.07.2005, angeordnet durch die neue Geschäftsführung, erwies sich das Gebäude auch unter Berücksichtigung der geplanten Baumaßnahmen als für die Zwecke der B nicht geeignet. Auf den Bericht des Gutachters vom 9.08.2005 wird Bezug genommen (Bl. 155 – 166 d. A.). Im Zusammenhang mit der Übernahme von Subunternehmerleistungen zwischen der B und der Beklagten schlossen der Kläger und Herr D, jeweils für beide Seiten unterzeichnend, am 4.04.2005 einen den ursprünglichen Vertrag vom 1.07. 2004 abändernden, auf den 1.07.2004 rückdatierten Vertrag ab. Von diesen Geschäften und Verträgen erfuhr die neue Geschäftsleitung der Beklagten zwischen Juni und August 2005.

In den Jahren 2003 bis 2005 nahm die B an 15 Ausschreibungen für die Vergabe von Busverkehren teil. In fünf Fällen gelang es ihr, durch Unterbieten der Konkurrenz die Ausschreibung zu gewinnen. Es handelt sich um die F (Angebot vom 28.07.2003), G (Angebot vom 27.05.2003), H (Angebot vom 28.06.2004), I (Angebot vom 28.02.2005) und K(Angebot vom 31.03.2005). Alle Angebote waren vom Kläger und Herrn D unterzeichnet. Nachdem die B bei der Ausschreibung für den Verkehr L und M unterlegen war, leitete sie ein gerichtliches Nachprüfungsverfahren gegen die Vergabekammer des Landes Hessen ein. Das OLG Frankfurt entschied mit Beschluss...

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