Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht auf Erhebung und Verwendung von Daten im Einladungsschreiben zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Pauschaler Hinweis auf Einhaltung des Datenschutzes im bEM-Einladungsschreiben unzureichend

 

Leitsatz (amtlich)

1. In dem Einladungsschreiben zu einem bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden (Anschluss an BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612).

2. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn in dem Einladungsschreiben lediglich pauschal auf „datenschutzrechtliche Bestimmungen“ Bezug genommen wird. Es muss sich aus dem Schreiben auch entnehmen lassen, welche Personen oder Stellen Zugriff auf die sensiblen Gesundheitsdaten erhalten; dies ist wesentlicher Ausfluss der Zweckbindung der im Rahmen des bEM erhobenen Daten. Auch muss der Arbeitgeber verdeutlichen, dass nach den Grundsätzen der Datenvermeidung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur solche Daten erhoben werden, die für die Durchführung des Verfahrens unerlässlich sind.

 

Normenkette

SGB IX § 84 Abs. 2, §§ 26, 3 Abs. 9; BDSG § 3a; KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 611; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.02.2017; Aktenzeichen 21 Ca 5801/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 2017 – 21 Ca 5801/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

Der am xx.xx. 1980 geborene Kläger ist ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 12. Januar 2012 war er bei der Beklagten als Be- und Entlader beschäftigt. Maßgeblich war zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 6. Januar 2014 (Bl. 51 - 52 der Akte).Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Bezugnahme die Tarifverträge des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger arbeitete in Teilzeit 20 Stunden in der Woche. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt belief sich zuletzt auf 1.688,41 Euro.

Die Beklagte betreibt weltweit einen Paketzustelldienst. Der Kläger war in dem Betrieb in A in der Hauptumschlagsbasis (kurz: HUB) in der Nachtschicht eingesetzt. Dort wurden ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist gebildet. Dabei musste er schwere Pakete, die durchschnittlich zwischen 8 - 12 kg wogen, im Ausnahmefall aber auch über 32 kg wiegen konnten, be- und entladen.

In den Jahren 2014 bis 2016 konnte der Kläger jeweils im erheblichen Umfang - mehr als 60 Fehltage - wegen Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Unstreitig ist, dass die Fehlzeiten in einem wesentlichen Umfang auf Rückenbeschwerden sowie auf Entzündungserkrankungen zurückgehen.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2016 wurde der Kläger zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (kurz: bEM) eingeladen. Darin heißt es unter anderem wie folgt:

„…Zur Durchführung des BEM können Daten im Rahmen der jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen erhoben, elektronisch gespeichert und verarbeitet werden. Die erhobenen Daten und Unterlagen bzgl. der Gesundheitsdaten werden 12 Monate nach Abschluss der jeweiligen Maßnahme vernichtet bzw. gelöscht, es sei denn, Sie sind erneut in einer Maßnahme im Zusammenhang mit dem BEM eingebunden. Soweit sie uns Krankheitsdiagnosen und Angaben zur voraussichtlichen Entwicklung ihrer Arbeitsfähigkeit machen, werden diese selbstverständlich vertraulich behandelt. …“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Einladungsschreibens wird Bezug genommen auf Bl. 58 und 59 der Akte. Der Kläger teilte am 1. August 2016 schriftlich mit, dass er der Durchführung des Eingliederungsmanagements nicht zustimme.

Der Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 8. August 2016 zu der beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Klägers angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird verwiesen auf Bl. 53 - 57 der Akte. Der Betriebsrat hat am 11. August 2016 mitgeteilt, dass keine Äußerung erfolgen werde.

Mit Schreiben vom 15. August 2016, dem Kläger am 16. August 2016 zugegangen, sprach die Beklagte eine ordentliche Kündigung zum 3. September 2016 aus. Hiergegen hat der Kläger am 2. September 2016 Kündigungsschutzklage erhoben.

Der den Kläger behandelnde Internist Dr. B teilte unter dem 16. Januar 2017 folgendes mit (Bl. 72 der Akte):

„Obiger Patient steht in meiner ambulanten Untersuchung und Behandlung. Die in der Zeit von Februar 2015 bis August 2016 vorhandenen zum Teil starke gastritischen Beschwer...

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