Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerentsendung. Aufrechnung mit Urlaubsabgeltungszahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1.Hat ein polnischer Bauunternehmer an die nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber polnisches Recht Anwendung findet, nach Beendigung der Entsendung und Auflösung der Arbeitsverhältnisse in Polen für die Zeit der Entsendung nach polnischem Recht Urlaubsabgeltungen zu zahlen gehabt und gezahlt, kann er von der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse Erstattung dieser gezahlten Urlaubsabgeltung verlangen.

2.Mit dem vorbezeichneten Erstattungsanspruch kann der polnische Arbeitgeber jedenfalls dann gegen Beitragsansprüche der Urlaubskasse aufrechnen, wenn er seine Tätigkeit in Deutschland eingestellt hat

3.Zur Frage, wann ein ausländischer, nach Deutschland Arbeitnehmer zur ausführung von Bauleistungen entsendender Arbeitgeber eine baulich Betriebsabteilung iSv § 211 Abs. 1 SGB III unterhält

 

Normenkette

AEntG § 1; SGB III § 211 Abs. 1; VTV/Bau 2000 § 13 Abs. 1, § 18 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.04.2003; Aktenzeichen 3 Ca 3616/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen 9 AZR 146/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 9. April 2003 – 3 Ca 3616/00 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 17.375,40 (i.W.: Siebzehntausenddreihundertfünfundsiebzig 40/100 Euro) zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/5, die Beklagte 2/5 zu tragen.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr in der Zeit von Januar bis August 2000 in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte ist eine 1991 gegründete juristische Person polnischen Rechts mit Sitz in … (Polen), die sich in Polen im Schneiderhandwerk (Herstellung von Textilien) betätigt. Im Kalenderjahr 2000 führte sie mit Hilfe aus Polen entsandter polnischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen als Subunternehmerin in der Bundesrepublik Deutschland Rohbauarbeiten durch. In Berlin unterhielt die Beklagte während der Zeit der Tätigkeit in Deutschland ein von ihr als „Außenstelle Berlin” bezeichnetes Büro. Von diesem Büro aus und mit dem dem Namen der Beklagten beigefügten Zusatz „Außenstelle Berlin” wurden u.a. die gegenüber den Landesarbeitsämtern nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) abzugebenden Meldungen über die in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer erteilt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei aufgrund ihrer baugewerblichen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträge für ihre nach Deutschland entsandten und hier beschäftigten Arbeitnehmer verpflichtet. Arbeitszeitlich überwiegend seien im Jahre 2000 von der Beklagten, auch unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit in Polen, Rohbauarbeiten und damit bauliche Leistungen ausgeführt worden. Die überwiegende Arbeitszeit der beschäftigten Arbeitnehmer sei auf die Tätigkeiten in Deutschland entfallen. Während die Beklagte, ausweislich der Auskunft einer Wirtschaftsauskunftei, in Polen durchschnittlich 21 Arbeitnehmer beschäftige, seien im Jahre 2000 im Januar und März 53, im Februar 59, im April 28, im Mai 17, im Juni 20, im Juli 19 und im August 4 Arbeitnehmer in Deutschland eingesetzt worden. In jedem Fall habe die Beklagte in Deutschland eine selbständige Betriebsabteilung unterhalten. Das belege das Büros in Berlin, die räumliche Trennung der Tätigkeiten in Deutschland und Polen sowie die gegenüber dem Betätigungsfeld in Polen völlig andersartige Tätigkeit der Beklagten in Deutschland. Entsprechend schulde die Beklagte Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes für die Monate Januar bis August 2000. Für die Monate Januar und Februar, für die die Beklagte Meldungen über die Bruttolöhne erteilt habe, stehe unter Berücksichtigung von Anrechnungen noch ein Betrag von 35.822,86 DM offen. Für die Monate März bis August berechne er die Beitragsforderung anhand der tariflichen Mindestlöhne, einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 7,8 Stunden pro Arbeitstag, der sich aus den Meldungen gegenüber den Landesarbeit...

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