Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Zulässigkeit der Zuweisung einer Tätigkeit einer niedrigeren Vertragsstufe

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Klausel in einem (Formular-)Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer anderen Vertragsstufe zu übertragen, verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie nach ihrem Wortlaut auch niedrigere Vertragstypen einschließt.

 

Normenkette

GewO § 106 S. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.04.2017; Aktenzeichen 4 Ca 2018/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 2017 – 4 Ca 2018/16 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die Beklagte dem Kläger im Rahmen ihres Direktionsrechts wirksam eine andere Tätigkeit zugewiesen hat oder ihn weiter als Betriebsleiter einsetzten muss.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das auf dem Gebiet der Herstellung von Celluloseether tätig ist. Sie ist Teil eines japanischen Konzerns, dessen Konzernmutter die A ist. Ebenfalls zum gleichen Konzern gehört die B, welche ein Werk in C (Louisiana, USA) unterhält. Die Beklagte sowie die B sind wirtschaftlich und organisatorisch eng miteinander verbunden. Die Beklagte selbst unterhält am Standort D ein Werk mit mehreren Produktionsbetrieben, u.a. einen Betrieb zur Herstellung von Glutolin.

Die Beklagte wird von ihrem Geschäftsführer von Japan aus geführt. Geleitet wird der Standort B durch einen Standortleiter, welchem wiederum ein Leiter der Produktion untergeordnet ist. Hierarchisch unterhalb des Leiters der Produktion befindet sich die Position der Betriebsleiter, denen wiederum jeweils Betriebsassistenten unterstellt sind. Der Kläger war bis 31. Dezember 2016 Leiter des „Glutolin-Betriebs“ mit ca. 65 Produktionsmitarbeitern.

Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, der E. Zunächst wurde der Kläger mit Arbeitsvertrag vom 10. Dezember 1997 als Chemiker eingestellt. Seit dem 01. Oktober 2001 ist der Kläger bei der Beklagten als Betriebsleiter des Glutolin-Betriebs in D beschäftigt. Am 10./19. Oktober 2001 schlossen der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen neuen Arbeitsvertrag, der auszugweise den folgenden Inhalt hat (Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 8 f., 10-12 d.A.):

„… anstelle früherer Anstellungsverträge, die mit uns oder einer mit uns wirtschaftlich verbundenen Firma bestehen, wird zwischen Ihnen und uns mit Wirkung vom 1. Oktober 2001 nachfolgender

Vertrag

geschlossen.

I. Arbeitsbereich

Sie stehen als leitender Angestellter in unseren Diensten.

Sollte es aus persönlichen oder betrieblichen Gründen erforderlich werden, erklären Sie sich bereit, eine andere angemessene, ggfs. auch mit einer anderen Vertragsstufe bewertete Aufgabe in unserem oder einem wirtschaftlich mit uns verbundenen Unternehmen zu übernehmen. …“

Zuletzt bezog der Kläger von der Beklagten ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt iHv. 14.167,00 € zuzüglich leistungsabhängiger Prämien.

Als Betriebsleiter war der Kläger verantwortlich für die Beachtung von Betreiberpflichten, Anlagensicherheit, Arbeitsschutz, Umweltschutz, Qualität und Personalangelegenheiten im Betrieb der Beklagten in D. Er trug die Verantwortung für die Schaffung der Voraussetzungen für die Produktion von Methylcellulose und verfügte dafür über Entscheidungsbefugnisse. Der Kläger hatte außerdem Handlungsvollmacht und unterlag der „Großen Pflichtendelegation“ (vgl. Merkblatt E zur Großen Pflichtendelegation, Teil der Anl. B2 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Oktober 2017, Bl. 301-304 d.A.).

Der genaue Tätigkeitsinhalt des Klägers ergibt sich aus der „Stellenbeschreibung Betriebsleiter“ der Beklagten. Diese beschreibt die Kompetenzen eines Betriebsleiters wie folgt (Stand 2012, s. Anl. K2 zur Klageschrift, Bl. 13-16 d.A.):

„6. Handlungsfreiheit:

  1. berichtet an den Leiter Produktion
  2. handelt in Ausübung seiner Funktion als Betriebsleiter selbstständig und vollverantwortlich im vorgegebenen Rahmen.
  3. ist befugt und verpflichtet, Zuständigkeiten und Befugnisse in seinem Organisationsbereich zu definieren und zu delegieren und Voraussetzungen zur Erreichung des Betriebsziels zu schaffen. …“

Mit zunächst mündlicher und sodann schriftlicher Versetzung vom 24. Oktober 2016 (Anl. K3 und K4 zur Klageschrift, Bl. 17, 18-21 d.A.) wies die Beklagte dem Kläger ab dem 01. Januar 2017 die Stelle des „Technical Supervisor C“ zu und entband ihn von seinen Aufgaben als Betriebsleiter. Bei der Stelle des Technical Supervisor C handelt es sich um eine von der Beklagten neu geschaffene Stelle, welche organisatorisch direkt dem Standortleiter des Betriebs in D untergeordnet ist. Der Arbeitsort des Klägers änderte sich durch die Versetzung ebenso wenig wie seine Vergütung, seine Arbeitszeiten, seine Handlungsvollmacht und das Unterfallen unter die Große Pflichtendelegation.

Zu den A...

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