Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung. vorgetäuschte Erkrankung. Erschleichen von Entgeltfortzahlung. Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es kann einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fern bleibt und sich Lohnfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Erkrankung handelt.

2. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn der Arbeitnehmer sich gegenüber seinem Vorgesetzten als „psychisch und physisch topfit, aber nicht für das St. V.” bezeichnet.

3. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, im Einzelnen vorzutragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat (BAG 26.8.1993 – 2 AZR 154/93). Hierfür reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer vorträgt, der Arzt habe das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit fachgerecht indiziert und attestiert.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 02.07.2009; Aktenzeichen 2 Ca 510/09)

ArbG Hanau (Teilurteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen 2 Ca 510/08)

ArbG Hanau (Teilurteil vom 26.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 510/08)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 9 AZR 237/10)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten werden das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 26. März 2009 – 2 Ca 510/08, das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Mai 2009 – 2 Ca 510/08 – und das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 2. Juli 2009 – 2 Ca 510/08 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, Weiterbeschäftigung und die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der am XX.XX.19XX geborene, verheiratete Kläger ist seit 1. November 1985 nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages Blatt 48 der Akten als Krankenpfleger, zuletzt in der Zentralsterilisation, zu einer Bruttomonatsvergütung von 2689,28 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Die Zentralsterilisation wird geleitet von dem Mitarbeiter eines externen Unternehmens, Herrn B. Außer dem Kläger ist in diesem Bereich eine weitere Mitarbeiterin, Frau A, beschäftigt. Sowohl der Kläger als auch Frau A waren seit 14. Oktober 2008 arbeitsunfähig krank. Der Kläger erschien jeweils am Freitag vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeit bei dem Zeugen B und teilte diesem mit, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei. Über den Besuch des Klägers vom 31. Oktober 2008 verfasste Herr B am 6. November 2008 ein Schreiben an die Personalabteilung, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf Blatt 10 der Akten verwiesen wird. Am 7. November 2008 kam es zu einem weiteren Besuch des Klägers in der Zentralsterilisation, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sich der Kläger so, wie aus dem Schreiben von Herrn B an die Personalabteilung vom 7. November 2008 (Blatt 9 der Akten) ersichtlich geäußert hat. Der Kläger war aufgrund einer am 7. November 2008 erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 16. November 2008 weiterhin durch seinen behandelnden Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 11. November 2008 hörte die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an (Blatt 25, 26 der Akten). Die Mitarbeitervertretung gab hierzu keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 17. November 2008, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen hat der Kläger am 19. November 2008 Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung liege nicht vor; die bei der Beklagten gebildete Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Kläger hat behauptet, er habe sich am 7. November 2008 zwischen 7:50 Uhr und 8:00 Uhr zu seinem Arzt, Dr. C, begeben der festgestellt habe, dass der Kläger weiterhin arbeitsunfähig krank sei. Sodann habe der Kläger sich zur Geschäftsstelle seiner Krankenkasse begeben und dort gegen 8:15 Uhr einen Durchschlag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgegeben. Anschließend habe er das Betriebsgebäude der Beklagten aufgesucht und bei der Personalabteilung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Briefkasten eingeworfen. Dies sei gegen 8:25 Uhr gewesen. Sodann sei er in die Zentralsterilisation gegangen, um sich nach dem Dienstplan für die Woche ab 16. November 2008 zu erkundigen bzw. den aushängenden Plan einzusehen. Dabei habe er Herrn B getroffen. Bei dieser Gelegenheit habe er mitgeteilt, dass er psychisch wieder fit sei, aber physisch noch nicht wieder ausreichend hergest...

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