Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Anwaltsverschulden. Keine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage bei Anwaltsverschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Kündigung gilt als von Anfang an wirksam gemäß §

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, wenn der Kläger die Frist des §

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zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung nicht gewahrt hat und die Klage auch auf den zulässigen und fristgerecht gestellten Antrag nach §

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nicht nachträglich zuzulassen ist.

2. a) Zu den Pflichten des Rechtsanwalts gehört es bei Vorlage eines Kündigungsschreibens bzw. Kenntnisnahme vom Zugang eines Kündigungsschreibens beim Mandanten, in dessen Kündigungsschutzklage die Kanzlei mandatiert ist, die Notierung der Klageerhebungsfrist nach §

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auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und zwar unbeschadet der Frage, ob dem Rechtsanwalt das Kündigungsschreiben zusammen mit der Handakte vorgelegt wird.

b) Überlässt der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einer Frist einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen festgehalten werden.

c) Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Fristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Frist im Kalender eingetragen worden ist.

d) Wird dem Rechtsanwalt die Sache vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Fristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf.

e) Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist

 

Normenkette

KSchG §§ 5, 4; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.03.2011; Aktenzeichen 17 Ca 6733/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. März 2011 - 17 Ca 6733/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Wirksamkeit einer hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 15. September 2010 und vorab um die nachträgliche Zulassung der gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des A Konzerns. Sie ist als Berater und Projektentwickler weltweit an Infrastrukturmaßnahmen beteiligt. In ihrem Betrieb in B sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer außer den zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt. Es ist ein Betriebsrat gebildet.

Bei der Beklagten werden staatsanwaltliche Ermittlungen zu der Frage geführt, inwieweit Mitarbeiter der Beklagten bei Auslandsprojekten, insbesondere bei Projekten in Griechenland, Schmiergelder an Personen gezahlt haben, die Einfluss auf die Auftragsvergabe an die Beklagte bzw. an ein Joint-Venture, an dem die Beklagte beteiligt war, hatten.

Ein solches staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wird auch gegen den am 25. August 1963 geborenen und verheirateten Kläger geführt (AZ.: 7740 JS 243818/09), der seit dem 1. Juli 1992 bei der Beklagten beschäftigt und für die Beklagte seit dem Jahr 1998 in Griechenland - zunächst als Technischer Koordinator und später als Niederlassungsleiter - tätig war.

Grundlage der Beschäftigung des Klägers war zuletzt der Anstellungsvertrag vom 1. Januar 2008. In diesem vereinbarten die Parteien, dass der Kläger bei der Beklagten als außertariflicher Angestellter in der Funktion eines Key Account Managers/Projektmanagers beschäftigt wird. Sein monatliches Grundgehalt betrug danach € 5.050,00 brutto zuzüglich einer monatlichen Funktionszulage in Höhe von € 650,00 brutto. Wegen der Einzelheiten und des Inhalts des Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf Blatt 7 bis 15 der Akten Bezug genommen. Danach schlossen die Parteien am 14. Mai 2010 einen Anstellungsvertrag für den Auslandseinsatz des Klägers und sie vereinbarten ein Addendum zu diesem Anstellungsvertrag. Insoweit wird Bezug genommen auf Blatt 13 bis 26 und 27 bis 31 der Akten. Zuletzt war der Kläger als Projektleiter für die geplante Flughafenanbindung in Kattowitz verantwortlich.

Aus dem Auslandseinsatz in Polen rief die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 2010 (Bl. 32 d.A.) zurück.

Wegen des Vorwurfs der Zahlung von Bestechungsgeldern im Ausland hatte sie bereits am 29. Juni 2010 mit dem Kläger ein Gespräch geführt. An diesem Gespräch hatten unter anderem der Verteidiger des Klägers, Rechtsanwalt C, und der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt D teilgenommen. Zu dem über dieses Gespräch erstellten Protokoll (Bl. 77 - 94 d.A.) fertigte der ...

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