Entscheidungsstichwort (Thema)

Länge der Kündigungsfrist bei ausländischer Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Umstand, dass das Restrukturierungsverfahren nach Chapter 11 US Bankruptcy Code nach § 343 Abs. 1 InsO als Insolvenzverfahren anzuerkennen ist (so BAG Urteil v. 27.02.2007 - 3 AZR 618/06), ist dem Schuldner über §§ 335-352 InsO die Möglichkeit eröffnet, beim Ausspruch von Kündigungen mit der kürzeren Kündigungsfrist des § 113 InsO, statt mit längeren arbeitsvertraglichen Kündigungsfristen zu kündigen.

 

Normenkette

InsO § 343 Abs. 1, § 113; BGB §§ 172, 174 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.01.2013; Aktenzeichen 2 Ca 4739/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 6 AZR 492/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. Januar 2013 - 2 Ca 4739/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 31.07.2012.

Die Klägerin war auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 9.11.2010 Bl. 20-25 d.A.) seit dem 15.05.2011 bei der Schuldnerin, einer Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in New York (USA), in deren deutscher Niederlassung in Frankfurt am Main als Rechtsanwältin beschäftigt. Sie erhielt ein Bruttomonatsgehalt von € 7.500,--. Auf Antrag der Schuldnerin vom 28.05.2012 führt der A ein Restrukturierungsverfahren nach Chapter 11 durch. Das Abwicklungskomitee der Schuldnerin setzte Herrn B zum Chief Restructuring Officer ein und stattete ihn mit der Befugnis zur Vornahme sämtlicher im Zusammenhang mit dem Chapter-11-Verfahren erforderlicher Willenserklärungen aus. Das Amtsgericht Frankfurt setzte mit Beschluss vom 21.08.2012 (Bl. 94 d.A.) den Rechtsanwalt Dr. A. K... als Insolvenzverwalter über das Inlandsvermögen der Schuldnerin (Sekundärinsolvenz) ein. Nach Rechtskraft des einen Insolvenzplan bestätigenden Beschlusses vom 21.03.2013 hob das Amtsgericht Frankfurt das Sekundärinsolvenzverfahren mit Beschluss vom 07.05.2013 (Bl. 206 d.A.) auf. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Schuldnerin.

Die Schuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen Schließung der Niederlassung in Frankfurt zuerst mit Schreiben vom 30.06.2012 zum 30.09.2012 durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten. Der Kündigung lag eine auf die Bevollmächtigten ausgestellte Vollmachtsurkunde bei (Bl. 26, 32 d.A.). Die Klägerin teilte der Schuldnerin am 02.07.2012 über die Bevollmächtigten mit, dass sie in der 12. Woche schwanger sei (Bl. 34 d.A.). Auf entsprechenden Antrag der Schuldnerin erteilte das Regierungspräsidium in Darmstadt mit Bescheid vom 31.07.2012 (Bl. 52-56 d.A.) seine Zustimmung zur Kündigung der Klägerin. Darauf sprach die Schuldnerin durch ihre Bevollmächtigten noch am 31.07.2012 eine am selben Tag auch zugegangene erneute Kündigung zum 31.10.2012 aus. Die Klägerin wies diese Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmacht mit Schreiben vom 01.08.2012, das am selben Tag der Schuldnerin zuging, zurück. Der (Sekundär)Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis nochmals wegen Betriebsschließung vorsorglich mit Schreiben vom 29.08.2012 zum 30.11.2012.

Die Klägerin hat sich mit ihren am 11.07.2012 und 08.08.2012 beim Arbeitsgericht eingereichten Klagen u.a. gegen die Wirksamkeit der Kündigungen vom 30.06.2012 und vom 31.07.2012 gewandt.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens, der Rechtsansichten und der Anträge der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 09.01.2013 - Az. 2 Ca 4739/12 - Bezug genommen (Bl. 151 - 153 d.A.).

Das Arbeitsgericht F... hat mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 09.01.2013 - 2 Ca 4739/12 - u.a. die von dem Beklagten anerkannte Unwirksamkeit der Kündigung vom 20.06.2012 festgestellt und hinsichtlich der Kündigung vom 31.07.2012 zum 31.10.2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass hier das Zurückweisungsrecht nach § 174 S.2 BGB ausgeschlossen sei, weil die Schuldnerin die Klägerin bereits mit der bei Ausspruch der ersten Kündigung vom 20.06.2012 vorgelegten Vollmacht über das bestehende Recht zum Ausspruch von Kündigungen in Kenntnis gesetzt hatte. Auch hat das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte für begründete Zweifel am Fortbestehen der Vollmacht wegen etwaiger Vergleichsverhandlungen zwischen den Partnern und der Schuldnerin sowie Berichten darüber zu sehen vermocht. Weiter hat es ausgeführt, dass die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis am 31.07.2012 unter Anwendung der in § 113 InsO geregelten Kündigungsfrist zum 31.10.2012 - und nicht unter Anwendung der vertraglichen Frist - erst zum 31.12.2012 - beenden konnte. Bei dem Verfahren nach Chapter 11 US-Bankcruptcy Code handele es sich um ein im Sinne von § 343 Abs. 1 InsO anerkanntes Insolvenzverfahren. Aufgrund des daher gemäß § 337 InsO anzuwendenden deutschen Insolvenzrechts komme ...

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