Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung des Arbeitsvertrags. beruflicher Werdegang. Kausalität. Täuschung

 

Leitsatz (redaktionell)

Unrichtige Angaben über den beruflichen Werdegang rechtfertigen nur dann eine Anfechtung eines befristeten Folgearbeitsvertrags, wenn die Täuschung auch kausal für den Folgevertragsabschluss war, nicht nur für den Erstvertrag.

 

Normenkette

BGB § 123

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen 19 Ca 9220/09)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 6 AZN 89/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2010 – 19 Ca 9220/09 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Anfechtung des beklagten Landes vom 15. Oktober 2009 mit dem 20. Oktober 2009 geendet hat.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 20. Oktober 2009 hinaus nach Ausspruch einer Anfechtungserklärung durch das beklagte Land.

Die 1972 geborene Klägerin absolvierte in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2002 die erste Staatsprüfung für Lehrämter für die Sekundarstufe I und II mit der Gesamtnote 2,7. Sie wurde zum 1. Februar 2003 in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt für die Sekundarstufe I und II in Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf eingestellt. Mit Bescheid vom 4. August 2004 entließ die hierfür zuständige Bezirksregierung von D sie mit Ablauf des 30. September 2004 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit der Begründung der Nichteignung für den Lehrerberuf. Am 12. September 2004 beantragte die Klägerin die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt in Hessen, ohne den absolvierten Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen zu erwähnen. Ab dem 1. Mai 2005 war sie als Studienreferendarin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf bei dem Amt für Lehrerbildung A tätig. Mit Bescheid vom 24. September 2007 nahm das Hessische Kultusministerium diese Ernennung zurück. Dieser Bescheid ist aufgrund des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 27. August 2009 rechtskräftig geworden. Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 erteilte das Staatliche Schulamt für den E-Kreis und die Stadt F der Klägerin eine auf zwei Jahre befristete Unterrichtsgenehmigung für die Fächer Deutsch und Geschichte. Mit Schreiben vom 3. April 2009, wegen dessen Inhalts auf Bl. 35 d. Anlage zum Schriftsatz vom 12. November 2009 (im Folgenden: Anlagenband) Bezug genommen wird, bewarb sich die Klägerin um ein Anstellung als Lehrerin an der B-Schule in C bei dem Staatlichen Schulamt der Stadt C. Dem Schreiben beigefügt war ein auf den 30. Januar 2009 datierter Lebenslauf der Klägerin, wegen dessen Inhalts auf Bl. 3-5 Anlagenband verwiesen wird. Der Bewerbung vorausgegangen waren Gespräche der Klägerin mit dem Schulleiter der B-Schule, in denen sie mitgeteilt hatte, dass sie in Nordrhein-Westfalen ein Referendariat begonnen hatte, welches sie, nachdem sie in diesem zum Opfer von sexuellen Nachstellungen eines alkoholkranken Ausbilders geworden sei, auf Anraten beendet hatte und nach Hessen gewechselt sei. Die Tatsache, dass sie aus dem nordrhein-westfälischen Vorbereitungsdienst mit der Begründung der Ungeeignetheit für den Lehrerberuf entlassen worden war, teilte die Klägerin in den Gesprächen nicht mit. Unter dem 9. April 2009 schlossen die Parteien einen für den Zeitraum 20. April 2009 bis 10. Juli 2009 befristeten Arbeitsvertrag als Vertretung (Bl. 26-28 d.A.). Unter dem 29. April 2009 füllte die Klägerin einen Personalbogen für die hessische Landesverwaltung aus, dessen Inhalt sich aus Bl. 1 f. Anlagenband ergibt. Nachdem die Klägerin die ersten Wochen an der B-Schule gearbeitet hatte, wobei es sich im Hinblick auf den Zeitpunkt im Schuljahr um eine sehr hektische Zeit handelte, ergab sich an dieser Schule aufgrund einer Elternzeit einer Lehrkraft ein weiterer Lehrerbedarf. Deshalb wollte der Schulleiter, da keine andere Ersatzkraft bereit stand, den Vertrag mit der Klägerin verlängern und informierte die Schulbehörde entsprechend. In Unkenntnis des beklagten Landes über die tatsächlichen Umstände der Beendigung des Referendariats in Nordrhein-Westfalen schlossen die Parteien unter dem 1./10. Juli 2009 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für den Zeitraum 19. August 2009 bis 12. November 2010 (Bl. 30-32 d.A.). Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009, der Klägerin zugegangen am 20. Oktober 2009, focht das beklagte Land den Arbeitsvertrag vom 1. Juli 2009 wegen arglistiger Täuschung an (Bl. 7-11 d.A.).

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2010 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 110-116 d. A.).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch das vorgenannte U...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge