Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Verdachtskündigung. Heranziehung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verstoß der Arbeitnehmerin gegen eine Sachbezugsregelung ist an sich geeignet, eine Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen.

2. Gibt der Arbeitgeber dem in der Anhörung zu einer Verdachtskündigung geäußerten Wunsch der Arbeitnehmerin, ihren Rechtsanwalt hinzuzuziehen, nicht nach, führt dies weder zur Unwirksamkeit der Anhörung zur Verdachtskündigung, noch zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern dazu, dass der weitere Gang der Anhörung prozessual nicht verwertbar ist. Zuvor gemachte Angaben der Arbeitnehmerin können jedoch berücksichtigt werden.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.11.2010; Aktenzeichen 24 Ca 3479/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2010 – 24 Ca 3479/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie über die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Beklagte betreibt unter anderem am Flughafen in F einen Einkaufsmarkt unter dem Namen R. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Vollzeitarbeitnehmer. In ihrem Betrieb am Flughafen in F ist ein Betriebsrat gebildet.

Die am XXX geborene, verheiratete Klägerin ist seit 01.04.1995 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin als Kassiererin zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.256,81 EUR beschäftigt. Nach Nr. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien (Blatt 6 der Akten) ergeben sich die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin aus den gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Regeln der L. Gemäß § 41 Abs. 3 Manteltarifvertragnummer 14 für das Bodenpersonal ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen.

Bei der Beklagten besteht eine Arbeitsanweisung für Mitarbeiter/innen an den Kassen (Blatt 148 bis 153 der Akten), deren Inhalt die Klägerin als „gelesen und erhalten” mit ihrer Unterschrift bestätigte. Unter 4. „Bargeldlose Zahlung” heißt es unter d) „Sonstiges: Andere Schecks, Gutscheine, ausländische Zahlungsmittel oder ähnliches dürfen nur nach erfolgter Rücksprache mit dem Filialleiter angenommen werden. Es darf kein Bargeld gegen alle Arten der unbaren Zahlungsarten eingetauscht werden, es darf auch kein Rückgeld ausgegeben werden.”

Die Beklagte vertreibt in dem Einkaufsmarkt am F Flughafen unter anderem Sekt der Marke M. Diese führte als Kundenbindungsmaßnahme Rabattmarkenhefte ein. Für den Kauf eines Kartons Sekt erhält der Kunde eine Rabattmarke. Für 20 Rabattmarken, die in das Rabattmarkenheft eingeklebt werden, erhält der Kunde bei seinem nächsten Einkauf eine Gutschrift in Höhe von 15 EUR. In die Rabattmarkenhefte wird der Name und die Adresse des Kunden eingetragen. Auf der Seite des Rabattmarkenhefts, auf der die Bedingungen für die Gutschrift dargestellt werden, befindet sich der Hinweis „Barauszahlung ist nicht möglich”. Aufgrund einer Anweisung der Beklagten wird ferner bei der Entgegennahme eines vollständigen Rabattmarkenhefts auf diesem von der betreffenden Kassiererin unterschrieben unter Angabe des Datums der Entgegennahme.

In der Zeit vom 09.10.2009 bis 12.04.2010 fielen bei der Beklagten 22 Rabattmarkenhefte an, die auf den Namen „G. L, 35410 H” ausgestellt waren und von der Klägerin unter Angabe des jeweiligen Datums sowie des Zusatzes „15 EUR” unterzeichnet waren. Jeweils zwei Rabattmarkenhefte trugen dasselbe Datum. An den betreffenden Tagen, die handschriftlich auf den jeweiligen Rabattmarkenheften vermerkt waren, wurden unter der Kassierernummer der Klägerin Einkäufe über einen Umsatz eines Brötchens oder einer Tragetaschen zwischen 0,15 EUR und 0,49 EUR getätigt, gegen die der Wert jeweils zweier Rabattmarkenhefte entgegengebucht wurde. Die Differenz wurde dem Kunden bar ausgezahlt. Insoweit wird auf die Aufstellung der Beklagten in dem Schriftsatz vom 10.08.2010 (Blatt 24 der Akten) verwiesen. Insgesamt wurden auf diese Weise 327,33 EUR bar ausgezahlt.

In einem am 14.04.2010 über diese Vorfälle geführten Gespräch räumte die Klägerin ein, am 12.04.2010 2 Rabattmarkenhefte bar ausgezahlt zu haben. Ob die Klägerin in dieser Anhörung bestätigte, auch in den weiteren Fällen die Barauszahlungen vorgenommen zu haben, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 22.04.2010 fand ein weiteres Gespräch zur Aufklärung der Vorfälle statt. Obwohl die Klägerin in diesem um die Hinzuziehung ihres Rechtsanwalts bat, setzte die Beklagte das Gespräch fort.

Am 23. April 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat schriftlich (Blatt 33 bis 36 der Akten) zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2010) an. Mit Schreiben vom 26. April 2010, das der Beklagten am selben Tag zuging, erklärte sich der Betriebsrat mit der beabsichtigten Kündigung einverstanden....

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