Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Darlegungslast des Arbeitgebers bei fehlendem betrieblichem Eingliederungsmanagement

 

Leitsatz (redaktionell)

Neben dem Eintritt der Flugdienstuntauglichkeit muss der Arbeitgeber auch alle zumutbaren anderweitigen Einsatzmöglichkeiten, z.B. am Boden, prüfen. Er muss darlegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses alternativlos ist.

 

Normenkette

TzBfG §§ 21, 17; KSchG § 7; SBG IX § 167 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.01.2018; Aktenzeichen 16 Ca 5440/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2020; Aktenzeichen 7 AZR 83/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2018 - 16 Ca 5440/17 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge einer auflösenden Bedingung.

Die Beklagte ist ein internationales Luftfahrtunternehmen, das im Bereich des Kabinenpersonals ca. 18.000 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der Beklagten existiert für das fliegende Personal eine Personalvertretung gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG iVm. dem Tarifvertrag Personalvertretung (TV PV).

Die Klägerin ist seit dem 15. August 1998 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt und erhielt zuletzt eine Vergütung von monatlich 3.536,09 € brutto (vgl. Anlage K 5, Bl. 16 d.A.). Nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 28. Juli 1998 (Anlage K 1, Bl. 8 f. d.A.) finden auf das Arbeitsverhältnis die für das Kabinenpersonal der Beklagten geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dazu gehört insbesondere der Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2013 (im Folgenden: MTV Nr. 2, Anlage B 1, Bl. 53 ff. d.A.). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 20 Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.

Flugdienstuntauglichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.

Vor Stellung eines erstmaligen Antrages an den Rentenversicherungsträger auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsleistungen oder spätestens vor einem entsprechenden Antrag auf Verlängerung befristet gewährter Leistungen kann der Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch machen, seine Flugdiensttauglichkeit (ggf. erneut) durch die fliegerärztliche Untersuchungsstelle überprüfen zu lassen.

(…)

§ 22 Kündigung

(…)

(2) Im Übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigung

(…)

- von mehr als 12 Jahren

6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.

Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch die DLH ausgeschlossen.

(…)“

Seit dem 20. Juni 2016 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 28. Juni 2017 wurde durch einen flugmedizinischen Sachverständigen die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit der Klägerin festgestellt.

Mit Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 2017, der Klägerin am 14. Juli 2017 zugegangen, wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass ihr Arbeitsverhältnis wegen der festgestellten dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit gemäß § 20 MTV Nr. 2 zum 31. Dezember 2017 ende. Die Klägerin wurde ferner um Mitteilung gebeten, ob sie an einer Arbeitstätigkeit im Bereich des Bodenpersonals interessiert sei(vgl. Anlage K 3, Bl. 12 ff. d.A.). Neben allgemeinen Hinweisen zu Ansprüchen auf Vergütung, Krankengeldzuschuss und Übergangsversorgung heißt es in diesem Schreiben dazu wie folgt:

(…)

Bitte informieren Sie uns mit beiliegendem Formblatt bis zum 4. August 2017, ob Sie an einer Tätigkeit am Boden interessiert sind. Falls Interesse besteht, werden wir Ihnen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz am Boden behilflich sein.

Für den Fall, dass wir von Ihnen bis zum o.g. Zeitpunkt keine Antwort erhalten haben, gehen wir davon aus, dass sie an einem Arbeitsplatz am Boden NICHT interessiert sind.

Eine Tätigkeit am Boden ist selbstverständlich davon abhängig, ob eine – Ihren Anforderungen und Qualifikationen – entsprechende Stelle zu besetzen ist und Sie hierfür entsprechend den Regeln für interne Stellenausschreibungen für Bodenarbeitsplätze ausgewählt werden. (…)“

Das beiliegende Formblatt (Anl...

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