Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Erstattung der Reisekosten eines Betriebsratsmitgliedes anlässlich der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchzuführenden Reise, für die ein Betriebsratsmitglied seinen Pkw benutzt, ist es für andere Betriebsratsmitglieder grundsätzlich zumutbar, diese Mitfahrmöglichkeit in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 19.05.2016; Aktenzeichen 9 BV 2/16)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.10.2018; Aktenzeichen 7 ABR 24/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 19. Mai 2016 - 9 BV 2/16 - abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten.

Der Antragsteller ist Mitglied des im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligte zu 2) gebildeten Betriebsrats (Beteiligter zu 3).

In der Zeit vom 18. bis 23. Oktober 2015 nahmen der Antragsteller sowie der Antragsteller des Parallelverfahrens 16 TaBV 198/16, der demselben Betriebsrat angehört, an einer Betriebsratsschulung zum Thema "Betriebsvereinbarungen sicher formulieren" in A teil. Zu dieser Veranstaltung reiste er gemeinsam mit seiner Ehefrau mit seinem privaten Pkw (Hyundai ix20) an. Der Antragsteller des Parallelverfahrens reiste ebenfalls mit seinem privaten Pkw (Ford Fiesta) an.

Im Betrieb des Arbeitgebers gilt eine Reisekostenordnung; insoweit wird auf Bl. 105-120 der Akte Bezug genommen. Dort heißt es (Bl. 109 d.A.):

II. Fahrtkosten

1. Grundsatz

Es ist das jeweils kostengünstigste Verkehrsmittel unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes zu benutzen, wobei jedoch Zweck und Ziel der Reise nicht behindert oder verzögert werden sollen. Von Fahrpreisvergünstigungen jeder Art muss in vollem Umfang Gebrauch gemacht werden. Überhöhte Fahrgelder, die durch Nichtbeachtung dieser Vorschrift entstehen, können nicht vergütet werden.

4. Kfz/Motorrad

Es besteht die grundsätzliche Verpflichtung die wirtschaftlich (=kürzeste Entfernung) und zeitlich günstigste Fahrtstrecke zu wählen. Bei Benutzung eigener Pkw bzw. Motorräder für Auswärtstätigkeit erstattet die Firma -unabhängig von der Anzahl der Mitfahrer-

a) eigener Pkw

- für die ersten 1000 km pro Monat, die mit einem Privat-Kfz dienstlich gefahren werden, 0,30 €/km

(...)

- es sind jeweils volle Kilometer abzurechnen.

In allen Fällen, wo dies möglich ist, sind Fahrgemeinschaften zu bilden. Vorrangig ist mit Mitarbeitern mit Firmen-PKW zu fahren.

Zu der Schulungsveranstaltung reiste der Antragsteller beim Arbeitgeber eine Spesenabrechnungen ein, die Fahrtkosten wegen der Nutzung des privaten Pkw in Höhe von 215,10 € sowie Garagenkosten von 60 € enthält. Der Arbeitgeber erstattete dem Antragsteller hierauf 137,55 €. Auch sein Betriebsratskollege, der an derselben Schulungsveranstaltung teilnahm, erhielt seine Reisekosten lediglich teilweise erstattet. Der Arbeitgeber brachte insoweit 359 km für eine einfache Fahrtstrecke zwischen B und A sowie die hälftigen Parkkosten in Abzug, da die beiden Betriebsratsmitglieder nach der Reisekostenordnung mit demselben Fahrzeug hätten anreisen müssen.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, er habe seine Frau zu dem Seminar mitnehmen müssen, da sie ihm nach 2 Hüftoperationen im Februar 2010 sowie September 2011 beim An-und Auskleiden behilflich sein müsse. Eine gemeinsame Fahrt zu Dritt mit dem Betriebsratskollegen in demselben Fahrzeug sei nicht zumutbar. Die betriebliche Reisekostenregelung sei unwirksam.

Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. der Gründe (Bl. 61-66 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Reisekostenordnung halte einer Inhaltskontrolle anhand der §§ 305ff BGB nicht Stand. Die unklare und intransparente Regelung der Reisekostenordnung zur Bildung von Fahrgemeinschaften falle daher ersatzlos weg, so dass die Reisekosten in voller Höhe erstattungspflichtig seien.

Dieser Beschluss wurde dem Arbeitgeber am 20. Juni 2016 zugestellt. Er hat dagegen am 12. Juli 2016 Beschwerde eingelegt und diese am 15. August 2016 begründet.

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, die Reisekostenordnung setzte das Bestehen eines Erstattungsanspruchs voraus, gewähre ihn aber nicht konstitutiv. Für Betriebsratsmitglieder ergebe sich dieser aus § 40 BetrVG. Danach seien nur die erforderlichen Kosten zu erstatten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es einem Betriebsratsmitglied zumutbar, im Auto eines Kollegen mitzufahren. Im Verhältnis zum Betriebsrat handele es sich bei der Reisekostenordnung nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen. Durch § 40 BetrVG werde ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und den Betriebsratsmitgliedern in ihrer organschaftlichen Funk...

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