Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert im Beschlussverfahren. Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Streitwert im Beschlussverfahren über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist in Anlehnung an § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festzusetzen.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3; GKG 2004 § 42 Abs. 4 S. 1; BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 13.10.2009; Aktenzeichen 4 BV 22/08)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach a.M. vom 13. Oktober 2009 – 4 BV 22/08 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Gegenstandswertfestsetzung.

Im Ausgangsverfahren haben die Antragstellerin (Arbeitgeberin) und der Antragsgegner (Betriebsrat) über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) (Betriebsratsvorsitzender) gestritten. Das Arbeitsgericht Offenbach a.M. hat Beschluss vom 13. Oktober 2009 den Gegenstandswert für das Verfahren auf 3 Bruttomonatsgehälter in Höhe von insgesamt 41.000,- Euro festgesetzt. Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer beim Arbeitsgericht am 15. Oktober 2009 eingegangen Beschwerde und meint, dass die Angelegenheit mit dem Regelgegenstandswert von 4.000,- Euro angemessen bewertet sei, da es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handele. Außerdem seien die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung zu bemessen. Der Betriebsrat sowie der Betriebsratsvorsitzende halten die Festsetzung des Gegenstandswertes für ermessen fehlerfrei.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 19. Oktober 2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig eingelegt.

In der Sache ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit mit 3 Bruttomonatsgehältern zutreffend festgesetzt.

Dies entspricht der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammer (vgl. z.B. Beschluss vom 17. Mai 1999 – 5/6 Ta 580/98 –; Beschluss vom 19. Juli 2000 – 5 Ta 259/00 –), wonach bei Verfahren nach § 103 BetrVG bei der Wertfestsetzung in Anlehnung an § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG vorzugehen ist. Die dagegen gerichteten Einwände der Arbeitgeberin greifen nicht durch.

Da die Arbeitgeberin keine neuen Argumente vorgebracht hat, wird unter Bezugnahme auf die zitierten Entscheidungen nur kurz auf Folgendes hingewiesen: Der Umstand, dass es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 RVG handelt, schließt es nicht aus, sich an vergleichbaren Wertvorschriften zu orientieren. Der in der gesetzlichen Bestimmung genannte Betrag von 4.000,- Euro ist kein Regelwert, sondern lediglich ein „Ausgangs-” oder „Anknüpfungswert”, der nur dann heranzuziehen ist, wenn im jeweiligen Fall keine sonstigen Anknüpfungspunkte für die Wertfestsetzung ersichtlich sind. Infolgedessen ist es nicht von vornherein ausgeschlossen bei Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG den Gegenstandswert entsprechend § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG festzusetzen. Dem steht auch nicht entgegen, dass Bestandsstreitigkeiten über Arbeitsverhältnisse aufgrund der vermögensrechtlichen Folgen entsprechender gerichtlicher Entscheidungen für die Parteien überwiegend wirtschaftliche Bedeutung haben, der die Regelungen des § 42 Abs. 4 RVF Rechnung tragen. Denn im Gegensatz zu den Verfahren nach § 99 f BetrVG wird im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG letztlich mit verbindlicher Wirkung über die wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkung der beabsichtigten Kündigung entschieden. Das Zustimmungsersetzungsverfahren stellt praktisch den vorweggenommenen Kündigungsschutzprozess dar. Wird – wie im Streitfall – der Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung zurückgewiesen, steht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Betriebsratsvorsitzenden kündigungsschutzrechtlich fest. Im umgekehrten Fall ist in einem späteren Kündigungsschutzverfahren das Gericht an die Feststellung gebunden, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist.

Allerdings ist bei der Bemessung des Gegenstandswertes – worauf die Arbeitgeberin im Ausgangspunkt zutreffend hinweist – auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (vgl. Hessisches LAG 12. Juni 2009 – 5 Ta 200/09 –). Dies bedeutet aber nicht, dass die wirtschaftlichen Folgen einer Maßnahme für die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit überhaupt keine Berücksichtigung finden könnten. Bei der Prüfung, ob der „Ausgangs-” oder „Anknüpfungswert” ...

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