Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung bei Insolvenzeröffnung. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

 

Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsstreit gegen die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zum Gegenstand hat (hier: Ansprüche auf Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes wegen baugewerblicher Tätigkeit des von den Gesellschaftern in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterhaltenen Betriebes), ist unterbrochen, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insovenzverfahren eröffnet wird (Anschluss an BGH 14.11.2002 – IX ZR 236/99 DB 2003, 141)

 

Normenkette

InsO §§ 93, 11 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 240; AnfG § 17 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 14.03.2001; Aktenzeichen 7 Ca 2968/99)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Der Rechtsstreit ist seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen derGbR am 5. März 2002 unterbrochen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, die gemeinsame Einzugstelle für die Sozialkassen des Baugewerbes, der die Beklagten, die seit 1995 in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Betrieb unterhalten, auf Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes und auf Auskunftserteilung in Anspruch nimmt, wendet sich dagegen, dass das Landesarbeitsgericht im Berufungsrechtszug nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR durch Beschluss des AG Itzehoe vom 5. März 2002 (Bl. 245 d.A.) den Berufungstermin vom 16. Dezember 2001 mit der Begründung, das Verfahren sei unterbrochen, aufgehoben hat.

Der Kläger meint, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR führe nicht zu einer Unterbrechung des anhängigen Verfahrens gegen die Gesellschafter, die Beklagten vertreten die Ansicht, das Verfahren sei unterbrochen.

 

Entscheidungsgründe

II

Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Verfahren nicht fortzusetzen, weil der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 S. 1 AnfG unterbrochen ist.

Nach § 93 InsO kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Damit bezieht § 93 InsO die Ansprüche wegen persönlicher Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in das Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Gesellschaft in der Weise ein, dass diese Ansprüche während des Insolvenzverfahrens der alleinigen Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen. Die persönliche Haftung der Gesellschafter soll ebenso wie die Haftung im Falle eines Gesamtschadens (§ 92 InsO) der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommen. Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger schließt § 93 InsO aus, dass sich einzelne Gläubiger durch schnelleren Zugriff auf das

Gesellschaftervermögen Sondervorteile verschaffen (vgl. BGH 04.07.2002 NJW 2002, 2718; Begründung zu § 105 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140)

Hier beruhen die vom Kläger geltend gemachten Beitrags- und Auskunftsansprüche auf der persönlichen Haftung der Beklagten als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR. Ist nämlich, wie hier, Rechtsträger des Beschäftigungsbetriebes eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so haften deren Gesellschafter für bestehende Forderungen der Sozialkassen des Baugewerbes nach allgemeinen Regeln persönlich als Gesamtschuldner (§ 421 BGB; vgl. BAG 02.02.1994 AP Nr. 1 zu § 705 BGB; Kammerurteil v. 08.07.1996-16 Sa 122/96 – LAGE § 705 BGB Nr. 1).

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit iSv § 93 InsO. Die vom Kläger herangezogene Rspr. des BGH über die Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH 29.01.2001 NJW 2001, 1056;

BGH 18.02.2002 JZ 2002, 1106) ändert daran nichts. Auch eine OHG, der eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts durch diese Rspr. weitgehend gleichgestellt wird, ist gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit.

Richtig ist freilich, dass der Gesetzgeber die Frage ungeregelt gelassen hat, welche Auswirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auf die gegen einzelne Gesellschafter – wie hier – geführten Rechtsstreite hat, die einen von § 93 InsO erfassten Anspruch zum Gegenstand haben. Zutreffend ist ferner, dass einer direkten Anwendung von § 240 ZPO der Umstand widerstreitet, dass diese Bestimmung nur für den Fall der Insolvenz eines am Rechtsstreit Beteiligten eine Regelung trifft und einer analogen Anwendung dieser Bestimmung der Umstand entgegensteht, dass die Vorschrift eben auf Zwei-Personen-Verhältnisse zugeschnitten ist und von der Interessenlage her nicht passt, weil der Insolvenzs...

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