Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsstreit gegen die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zum Gegenstand hat, ist unterbrochen, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

 

Normenkette

InsO §§ 93, 11 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 240; AnfG § 17 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin

LG Berlin

 

Tenor

Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit unterbrochen ist.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Rückzahlung eines auf erstes Anfordern gezahlten Bürgschaftsbetrages. Die Beklagten sind die Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft H. (fortan: GbR). Diese schloß mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Generalunternehmervertrag für die Durchführung des Bauvorhabens H. ab. Darin verpflichtete sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen. Die W.bank (fortan: Bank) übernahm eine entsprechende Bürgschaft, aus der sie von der GbR in Anspruch genommen wurde. Die Vorinstanzen haben die von der Klägerin im Urkundenprozeß aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht der Bank erhobene Rückforderungsklage als in dieser Prozeßart unstatthaft abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Mit Beschluß vom 21. Dezember 2000 hat das Amtgericht Hamburg, – Insolvenzgericht – das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR eröffnet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR ist das streitgegenständliche Verfahren entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen.

1. Die von der Klägerin verfolgten Rückzahlungsansprüche können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO). Sie beruhen auf der persönlichen Haftung der Beklagten als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR. Diese ist eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 93 InsO (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).

2. Der Gesetzgeber hat die Frage nicht geregelt, welche Auswirkungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auf die gegen einzelne Gesellschafter geführten Prozesse hat, die einen von § 93 InsO erfaßten Anspruch zum Gegenstand haben (dazu BGH, Urt. v. 4. Juli 2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492, 1493). Der an die Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes angelehnte Regelungsvorschlag nach § 103 Abs. 2, §§ 104, 105 Abs. 3 des Regierungsentwurfes zur InsO (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 25, 139) ist nicht Gesetz geworden. Die Frage sollte der Rechtsprechung überlassen bleiben (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 165).

a) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Meinung ist § 240 ZPO weder direkt (so Heidelberger Kommentar-InsO/Eickmann, 2. Aufl. § 93 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 93 Rn. 7a) noch analog (so MünchKomm-InsO/Brandes, § 93 Rn. 41, § 92 Rn. 25; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 93 Rn. 36; Berliner Kommentar-InsO/Blersch, § 93 Rn. 12; Frankfurter Kommentar-InsO/App, 3. Aufl. § 93 Rn. 5, § 92 Rn. 10; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht Rn. 607) anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung von § 240 ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur die Folgen der Insolvenz einer der Prozeßparteien regelt und eine Unterbrechung daher nur in Bezug auf die Partei eintritt, in deren Person die Voraussetzungen vorliegen (Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. § 240 Rn. 7; Musielak/Stadler, ZPO 3. Aufl. § 240 Rn. 2). Die GbR ist jedoch nicht die Partei des vorliegenden Rechtsstreits. Eine analoge Anwendung von § 240 ZPO scheidet gleichfalls aus. Die Vorschrift ist auf ein Zwei-Personen-Verhältnis zugeschnitten. Die durch § 240 ZPO geregelte Interessenlage hinsichtlich der Unterbrechung eines Prozesses, an dem der Schuldner beteiligt ist, weist gegenüber der Interessenlage eines Prozesses gegen die Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit erhebliche Unterschiede auf.

b) Der Senat hält deshalb die Auffassung für vorzugswürdig, welche § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG auf die Fälle eines Prozesses gegen die Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO entsprechend anwenden will (so für die Unterbrechungswirkung auch OLG Stuttgart NZI 2002, 495, 496f; Zöller/Greger aaO § 240 Rn. 7; Noack, Gesellschaftsrecht Rn. 520; wohl auch Bork, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. S. 1345f. Rn. 32; Oepen, Massefremde Masse Rn. 112 f.; vgl. auch BGHZ 82, 209, 216 ff. zur Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB). § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist auf den Fall zugeschnitten, daß ein Prozeß zwischen einem Insolvenzgläubiger und einem Dritten geführt wird. Das trifft auch auf die vorliegende Fallgestaltung zu. Die Insolvenz betrifft das Vermögen einer an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Person.

Daher ist der Rechtsstreit seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR am 21. Dezember 2000 unterbrochen. Diese Wirkung ist durch Beschluß festzustellen (vgl. RGZ 16, 339, 340; OLG München NJW-RR 1996, 228, 229). Unter welchen Voraussetzungen und durch wen der Rechtsstreit wieder aufzunehmen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

 

Unterschriften

Kreft, Ganter, Raebel, Kayser, Bergmann

 

Fundstellen

DB 2003, 141

DStR 2003, 344

DStZ 2003, 212

NJW 2003, 590

BGHR 2003, 251

KTS 2003, 293

NZG 2003, 119

Nachschlagewerk BGH

StuB 2003, 239

WM 2003, 159

WuB 2003, 353

ZAP 2003, 106

ZIP 2003, 39

InVo 2003, 177

MDR 2003, 284

NZI 2003, 94

ZInsO 2003, 28

ZInsO 2007, 506

ZVI 2002, 469

LMK 2003, 77

Mitt. 2003, 334

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