Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung einer Abmahnung aus Personalakte; Wertfestsetzungsbeschluß; Wirtschaftliches Interesse

 

Normenkette

GKG § 1 Abs. 4, § 12 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Aktenzeichen 4 Ca 392/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers vom 14. Dezember 1999 – eingegangen beim Arbeitsgericht am 15. Dezember 1999 – wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. November 1999 – 4 Ca 392/99 – aufgehoben. Der Wert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung wird für das Verfahren und für den Vergleich auf DM 40.208,66 festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen, wobei für die insoweit vom Kläger zu erhebende Gerichtsgebühr ein Wert von DM 1.635,60 in Aussicht genommen wird.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 15. März 1977 beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt DM 5.483,–.

In der Zeit ab dem 25. August 1999 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Vielzahl von schriftlichen Abmahnungen. Es handelt sich dabei um jeweils eine Abmahnung vom 25. August 1999, 09. September 1999, 10. September 1999 und 05. November 1999, um sieben Abmahnungen vom 28. September 1999, fünf vom 01. November 1999 und schließlich zwei Abmahnungen vom 04. November 1999, insgesamt also 18 Abmahnungen. Die Abmahnungen enthielten jeweils Kündigungsandrohungen. Der Kläger hat gegen all diese Abmahnungen geklagt und beantragt, sie aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Rechtsstreit ist mit im Gütetermin protokolliertem Vergleich vom 19. November 1999 (Blatt 51/52 d.A.) beendet worden: Danach endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. November 1999, der Kläger erhielt eine Abfindung.

Das Arbeitsgericht hat auf Antrag u. a. der Klägervertreterinnen mit verkündetem Beschluss vom 19. November 1999 (Blatt 52 d.A.) den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Klage und den Vergleich auf DM 98.694,– festgesetzt, d. h. den Betrag von 18 Bruttomonatsgehältern. Laut Protokoll vom 19. November 1999 erklärten sich die Anwesenden – darunter der Kläger und dessen Anwältin – damit einverstanden.

Die Klägervertreterinnen haben „namens und in Vollmacht des Klägers” mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1999 (Blatt 60 d.A.), der beim Arbeitsgericht am 15. Dezember 1999 eingegangen ist, Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss vom 19. November 1999 eingelegt, wobei sich aus der zugehörigen Anlage 2 (Blatt 62 d.A.) eine Wertvorstellung in Höhe von DM 16.449,– ergibt. Sie haben sich zur Begründung auf zwei Beschlüsse des LAG Düsseldorf vom 04. September 1995 – 7 Ta 245/95 – und vom 26. Oktober 1995 – 7 Ta 309/95 – (Kopien Blatt 63 ff. d.A.) bezogen.

Hintergrund der Beschwerde war, dass zunächst die klägerische Rechtsschutzversicherung den Klägervertreterinnen mitgeteilt hatte, sie könne die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht akzeptieren, es solle im Namen des Mandanten Beschwerde eingelegt werden. Der Kläger selbst hat auf gerichtliche Anfrage unter dem 05. Februar 2000 mitgeteilt, er habe angesichts der Stellungnahme seiner Rechtsschutzversicherung seine Rechtsanwältin zur Vermeidung von Streitigkeiten mit der Rechtsschutzversicherung gebeten, Beschwerde einzulegen (Blatt 77 d.A.) – dies korrespondiert mit der zitierten Formulierung in der Beschwerdeschrift.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO). Sie scheitert in ihrer Zulässigkeit nicht an der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO, da der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts weder wie vom Gesetz vorgesehen zugestellt worden ist noch die vorgeschriebene schriftliche Belehrung über das befristete Rechtsmittel enthielt (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG), so dass schon aufgrund der Regelung des § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hat (§ 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG ist nicht tangiert).

Der Kläger ist weiter durch den Beschluss beschwert, da er die arbeitsgerichtliche Wertfestsetzung für zu hoch erachtet. Dass er im Ergebnis die daraus resultierenden Anwaltsgebühren nicht selbst zu tragen hat, sondern diese von seiner Rechtsschutzversicherung übernommen werden, ändert daran nichts.

Ein Rechtsmittelverzicht des Klägers ist im Ergebnis gleichfalls zu verneinen. Zwar hat der Kläger sich am 19. November 1999 mit der Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht einverstanden erklärt. Diese damalige Erklärung des Klägers ist als Rechtsmittelverzicht zu sehen, da sie mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vernünftigerweise – vom Gericht und den Klägervertreterinnen – nur so verstanden werden konnte, dass sich der Kläger damit endgültig und vorbehaltlos mit der Entscheidung einverstanden erklären wollte; das Wort „Verzicht” muss nicht ausdrücklich verwendet werden (vgl. grundsätzlich Stein/Jonas-Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 514 Rz. 13 ff. mit weit. Nachw.; vgl. weitergehend als hier – für Verzicht auf Beschwerdebefugnis oder Wegfall der Beschwer im Fall der erklärten Zustimmung zur vom Gericht beabsichtigten Wertfestsetzung im Rahmen der Anhö...

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