Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtstellung des Betriebsrats hinsichtlich der Durchführung eines Sozialplans

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Betriebsrat hat gegen den Arbeitgeber aus eigenem Recht einen Anspruch auf Durchführung eines Sozialplans.

 

Orientierungssatz

Anspruch des Gesamtbetriebsrats auf Durchführung eines Sozialplans durch die Arbeitgeberin mit dem vereinbarten Inhalt bei Dissens um den Anwendungbereich einer Kappungsregel. In dem zulässigen Beschlussverfahren ist die Auslegung einer konkreten Sozialplanbestimmung dann Vorfrage. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags im Beschlussverfahren wird nicht dadurch begrenzt, dass dieselbe Auslegungsfrage auch die Kernfrage von Individualansprüchen der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeberin bildet (Argument der faktischen Prozessstandschaft des Betriebsrats). Eine rechtskräftige Entscheidung im Beschlussverfahren über die inhaltlich richtige Durchführung (und damit Auslegung) eines Sozialplans ist für Individualverfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindend (vgl. BAG 17.02.1992 - 10 AZR 448/91). Die Kammer hat daher deshalb die Verhandlung in "parallelen" Urteilsverfahren nach § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Beendigung oder Erledigung des Beschlussverfahrens ausgesetzt.

 

Normenkette

BetrVG § 112

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 02.02.2018; Aktenzeichen 14 BV 1/17)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.02.2020; Aktenzeichen 1 ABR 38/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 02. Februar 2018 - 14 BV 1/17 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die dem Regelungswillen entsprechende Durchführung eines Sozialplans, wobei unterschiedliche Auffassungen dazu bestehen, ob mögliche Zuschläge von der vereinbarten Deckelung der Sozialplanabfindung erfasst werden.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) ist ein Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Sie firmierte bis 30. Mai 2018 als A und ist das deutsche Tochterunternehmen einer US-amerikanischen AG. Der Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat.

Ab September 2016 war bekannt, dass die Arbeitgeberin plante, deutschlandweit Standorte zu schließen und ihre Organisation neu zu strukturieren. Die Arbeitgeberin verhandelte mit dem Gesamtbetriebsrat über die Umstrukturierung. Nachdem die Arbeitgeberin die Verhandlungen am 16. Dezember 2016 für gescheitert erklärte, wurde am 06. Februar, 09. Februar und 17. Februar 2017 vor der Einigungsstelle verhandelt. Am 17. Februar 2017 schlossen die Beteiligten in der Einigungsstelle eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich" (vgl. Anlage AS1 zur Antragsschrift; Bl. 59-64 d.A., Protokollnotiz Bl. 81 f. d.A.) und eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zum Sozialplan" (folgend: GBV SP).

Zur Wiedergabe des Inhalts der GBV SP wird auf die Anlage AS2 zur Antragsschrift Bezug genommen (Bl. 85-92 d.A.). Hervorzuheben sind folgende Regelungen:

"A. Allgemeines

(…)

II. Geltungsbereich

1. Sachlicher Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt sachlich als Ausgleich für die im Interessenausgleich vom 17. Februar 2017 beschriebenen Maßnahmen.

2. Räumlicher Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt räumlich für sämtliche Betriebe der A.

3. Persönlicher Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt persönlich für alle bei der A beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, die von einer im Interessenausgleich vom 17. Februar 2017 beschriebenen Maßnahme betroffen sind und

  • -

    die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Sozialplans in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der A stehen;

  • -

    die einen vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag unterschreiben/unterschrieben haben (…).

B. Leistungen zum Ausgleich der Nachteile

(…)

III. Leistungen bei Ausscheiden

1. Abfindung

(1) Jeder anspruchsberechtigte Arbeitnehmer erhält eine Abfindungszahlung nach den nachfolgenden Vorschriften.

(2) Die Abfindungszahlung wird nach folgender Formel berechnet:

Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt x Lebensalter/41

(3) Die zu Grunde zu legende Betriebszugehörigkeit ist der Zeitraum zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers (individuelle Vereinbarungen über die Betriebszugehörigkeit sind zu berücksichtigen) und dem 31. März 2017. Die Betriebszugehörigkeit wird auf volle Jahre aufgerundet.

(4) Das zu Grunde zu legende Bruttomonatsgehalt berechnet sich wie folgt:

(…)

(5) Das zu Grunde zu legende Lebensalter wird zum 31. März 2017 berechnet. Das Ergebnis wird auf volle Jahre abgerundet.

(6) Die Abfindung beträgt mindestens EUR 10.000,00 brutto, maximal EUR 300.000,00 brutto. Voraussetzung für den Mindestbetrag ist das Bestehen von Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.

(7) Die Abfindung erhöht sich für jedes zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung/des Aufhebungsvertrages auf der Lohnsteuerkarte/-bescheinigung eingetragene unterhaltsberechtigte Kind um EUR 4.500,00 (Kinderzuschlag). Sowei...

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