Entscheidungsstichwort (Thema)

Informationsrechte des Betriebsrats im Arbeitskampf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Beschlußverfahren haben einstweilige Verfügungen grundsätzlich nur die Funktion, den Beteiligten die Ausführung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechte im nachfolgenden Haupt-(Beschluß-)Verfahren zu sichern.

2. Das Unterrichtungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 BetrVG ist arbeitskampfneutral. Deswegen ist der Betriebsrat über die Eingliederung von neu eingestellten oder von anderen Betrieben des Arbeitgebers in den umkämpften Betrieb versetzten Mitarbeitern gesetzentsprechend zu unterrichten.

3. Es ist weder unterlassungs- noch arbeitskampfrechtlich zutreffend, an die Verletzung dieses Unterrichtungsanspruchs des Betriebsrats als Rechtsfolge neben einem Ordnungsgeld gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG noch ein Einstellungs- und Beschäftigungsverbot während des Streiks zu knüpfen.

 

Normenkette

ZPO § 926; BetrVG § 85 II, § 99 Abs. 1; GG Art. 9

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 28.12.1989; Aktenzeichen 15 BVGa 46/89)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (AGg.) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 28.12.1989 – 15 BVGa 46/89 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der AGg. wird einstweilen bis zur erstinstanzlichen Klärung von Art und Umfang der Informationsrechte des Antragstellers (Ast.) vor Einstellungen von Personal während eines den Betrieb der AGg. in Frankfurt am Main betreffenden Arbeitskampfes in einem vom ASt. bis zum 01.05.1990 einzuleitenden Haupt- (Beschluß-)Verfahren aufgegeben,

den ASt. über die Personalien (Name, Vorname, Geburtstag, Geschlecht, Familienstand), den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die Auswirkungen der geplanten Maßnahme vor der Eingliederung (Einstellungen und Versetzungen von anderen Betrieben) von Arbeitnehmern während der Dauer eines Arbeitskampfes in ihrem Betrieb in Frankfurt am Main zu unterrichten.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der AGg. ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,– (i. W.: Zehntausend Deutsche Mark) angedroht.

Im übrigen verbleibt es bei der Zurückweisung der Anträge

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im Eil-Beschlußverfahren darüber, ob der Antragsgegnerin (AGg.) – in deren Betrieb in Frankfurt um einen Firmentarifvertrag gekämpft wird – gerichtlich zu untersagen ist, Arbeitnehmer einzustellen und zu beschäftigen, solange nicht der Betriebsrat (BR) vorher über die Personalien des Arbeitnehmers (Name, Vorname, Geburtstag, Geschlecht, Familienstand), den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die Auswirkungen der geplanten Maßnahme informiert worden ist, nebst Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung.

Den erstinstanzlich gestellten weiteren Antrag, der AGg. die Einstellung und Beschäftigung von Arbeitnehmern zu untersagen, solange die vom BR allgemein geforderte Stellenausschreibung nicht erfolgt ist, verfolgt der BR im Beschwerdeverfahren – nach dessen Abweisung durch das Erstgericht – nicht mehr weiter.

Wegen des zum weiterverfolgten ersten Antrag des BR vom Arbeitsgericht ermittelten Streitstoffs und der Einzelheiten der Antragstellung erster Instanz wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen (Bl. 14, 15 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat der AGg. im Wege einstweiliger Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, auch während eines Streiks Arbeitnehmer einzustellen und zu beschäftigen, solange nicht der BR antragsgemäß informiert worden ist und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,– DM angedroht. Den weiteren Antrag hat es zurückgewiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die AGg. ihr auf völlige Antragszurückweisung gerichtetes Verfahrensziel weiter.

Sie meint, der BR brauche diese Informationen über arbeitskampfbedingt neu eingestellte oder zeitweilig versetzte Mitarbeiter „schlicht nicht”, weil ihm insoweit sowieso für die Dauer des Arbeitskampfes kein Mitbestimmungsrecht zustehe. Ihr sei unzumutbar, ihre Dispositionen zur Aufrechterhaltung des Betriebes während des Arbeitskampfes offenzulegen. Die vom Erstgericht gezogene Parallele zum Einstellen von Tendenzträgern im (Tendenz-)Betrieb sei verfehlt. Dort handele es sich um Dauereinstellungen während es hier nur um Abwehrmaßnahmen für die Dauer des Streiks gehe. Selbst wenn aber der ASt. und BR Anspruch auf diese Informationen hätte, könne deren Unterlassung nicht zum Untersagen von Einstellungen und Versetzungen führen. Damit werde dann faktisch doch eine „Ausweitung” der Beteiligungsrechte des BR während des Arbeitskampfes herbeigeführt.

Der BR und ASt. verteidigt den angefochtenen Beschluß und meint, das Informationsrecht des BR sei nicht arbeitskampfbezogen beschränkbar. Insoweit gebe es keine Unterscheidung zwischen Einstellungen von Arbeitnehmern auf Dauer oder auf Zeit. Aus dem Recht auf entsprechende Information folge auch ein entsprechendes Recht auf Unterlassung von Einstellungen und Versetzungen ohne vorherige Information des ASt.

Ergänzend ...

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