Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. gewerkschaftlicher Rechtsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Prozesskostenhilfe darf nicht abgelehnt werden, weil der Antragsteller seine Gewerkschaftsmitgliedschaft und damit seinen Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz freiwillig aufgegeben hat.

 

Normenkette

ZPO § 115; GG Art. 9 III

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.03.2008; Aktenzeichen 10 Ca 4413/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2008 – 10 Ca 4413/07 – aufgehoben.

Die Sache wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, das nach Maßgabe dieses Beschlusses erneut zu entscheiden hat.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich mit seiner am 26. März 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihm am 26. März 2008 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, durch den sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung (PKH) zur Rechtsverfolgung einer Kündigungsschutzklage sowie eines Weiterbeschäftigungsbegehrens zurückgewiesen worden ist.

Mit einer am 25. Mai 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift hatte der damals durch die Gewerkschaft NGG vertretene Kläger eine Klage mit den aus Bl. 1 d.A. ersichtlichen Anträgen erhoben. Die Prozessvertretung des Klägers, der damals Mitglied der Gewerkschaft NGG war, wurde anschließend von der DGB Rechtsschutz GmbH übernommen, deren Vertreter auch den arbeitsgerichtlichen Gütetermin vom 17. Juli 2007, der erfolglos blieb, zusammen mit dem Kläger wahrnahm. Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 kündigte der Kläger durch seinen späteren Prozessbevollmächtigten das Mandatsverhältnis mit der DGB Rechtsschutz GmbH und trat Ende August 2007 durch schriftliche Kündigung seines Mitgliedschaftsverhältnisses aus der Gewerkschaft NGG zum Ende des Jahres 2007 aus. Die Prozessvertretung des Klägers in dem anhängigen Rechtsstreit wurde durch einen Rechtsanwalt wahrgenommen, der mit Schreiben vom 09. November 2007 für den Kläger die Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung beantragte. Im arbeitsgerichtlichen Kammertermin vom 29. Januar 2008 schlossen die Parteien zur Beilegung des Rechtsstreits einen gerichtlichen Vergleich, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 70 d.A. Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht hat, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hatte, zur Frage der Vertretung durch die Gewerkschaft Stellung zu nehmen und dieser vorgetragen hatte, er habe zu Recht das Mandatsverhältnis und im übrigen auch das Mitgliedschaftsverhältnis zur Gewerkschaft gekündigt, mit dem angefochtenen Beschluss den PKH-Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe keine Bedürftigkeit im Sinne des Gesetzes, weil der Kläger sich durch die Gewerkschaft hätte vertreten lassen können und keine durchgreifenden Gründe vorgetragen habe, aus denen sich herleiten ließe, dass ihm eine weitere Vertretung durch die Gewerkschaft nicht zuzumuten gewesen sei. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat es nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und wurde fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO). In der Sache führt sie zur Zurückverweisung an das Arbeitsgericht. Mit der von diesem gegebenen Begründung konnte die beantragte PKH nicht mangels Bedürftigkeit des Klägers abgelehnt werden.

Eine Bewilligung von PKH scheidet nicht bereits deshalb aus, weil das erstinstanzliche Verfahren zwischenzeitlich abgeschlossen ist.

Da die Bewilligung von PKH den Zweck verfolgt, einer Partei, die die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in der jeweiligen Instanz zu ermöglichen (§ 114 ZPO), ist für die Bewilligung von PKH für eine Instanz nach Beendigung derselben allerdings grundsätzlich kein Raum. Eine nachträgliche und rückwirkende Bewilligung nach Instanzabschluss kommt freilich in Frage, wenn der Antragsteller den Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt hatte, dieser aber nicht beschieden worden ist, obgleich der Antragsteller mit seinem Antrag alles für die Bewilligung von PKH erforderliche getan hatte (vgl. BGH 30.09.1981 NJW 1982, 446). Darüber hinaus ist nach Instanzabschluss PKH nachträglich und rückwirkend zu bewilligen, wenn das Gericht dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt hatte, erforderliche Unterlagen oder Erklärungen zur Ergänzung seines Antrages auch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens noch nachzubringen und so das Instanzende ›hinauszuschieben‹, weil das Gericht in diesem Falle einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte (vgl. Kammerbeschlüsse v. 16.09.1999 – 16 Ta 629/99 – u. v. 02.10.1997 – 16 Ta 472/97 –; OLG Karlsruhe 22.04.1998 NJW-RR 1998, 578 (579); LAG Niedersachsen 10.02.1992 MDR 1993, 91). Schließlich kann...

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