Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Vorlage ärztlicher Atteste vom ersten Krankheitstag an

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine gem § 87 Abs 1 Zf 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme liegt auch vor, wenn ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer auffordert, ärztliche Bescheinigungen für den ersten Tag einer Erkrankung vorzulegen (§ 5 Abs 1 Satz 3 EntgeltfortzahlungsG), weil sie zuvor über Nachweispflicht nicht ordnungsgemäß nachkamen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27.10.1999 -- Az. 9 BV 39/99 -- wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG.

Der Beteiligte zu 1. ist der für den gemeinsamen Betrieb der Firmen ... GmbH, ... GmbH und ... GmbH gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2. -- im Folgenden: Arbeitgeberin -- besitzt umfassende Kompetenzen in allen personellen Angelegenheiten der genannten drei Firmen und stellt deren Personalabteilung dar. Die Arbeitgeberin, die nicht tarifgebunden ist, nimmt beim Abschluss von Arbeitsverträgen Teile des Manteltarifvertrages des Deutschen Reisebürogewerbes vom 05.04.1989 in Bezug, so auch dessen § 10, der sich mit Anzeige- und Nachweispflichten im Falle einer Erkrankung befasst. Wegen des vollständigen Wortlautes wird auf Bl. 19 bis 22 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13.07.1998 (Bl. 12 d. A.), 18.09.1998 und 17.12.1998 forderte die Arbeitgeberin drei ihrer Mitarbeiter, die ihren Anzeige- bzw. Nachweispflichten im Krankheitsfall nicht nachgekommen waren, auf, in Zukunft bereits am ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit ein ärztliches Attest vorzulegen.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin habe damit unter Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG eine Regelung über Fragen der Ordnung des Betriebes sowie des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb getroffen. Er hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer aufzufordern, bereits ab dem ersten Krankheitstag eine

ärztliche Bescheinigung vorzulegen, so lange der Betriebsrat nicht

zugestimmt hat bzw. eine ersetzende Zustimmung der Einigungsstelle

vorliegt;

2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre

Verpflichtung gemäß dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld bis zu DM

500.000,00, ersatzweise Haft ihrer gesetzlichen Vertretungsorgane,

anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, bei ihrem Vorgehen sei gem. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG schon deshalb kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates betroffen, da sie von ihrem uneingeschränkten gesetzlichen Recht gem. § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG Gebrauch gemacht habe, das Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe. Weiter hat die Arbeitgeberin gemeint, mit ihrem Vorgehen lediglich das Arbeitsverhalten der drei Mitarbeiter geregelt zu haben, nicht dagegen eine Frage der Ordnung des Betriebes. Schließlich habe es sich um drei begründete Einzelfallentscheidungen gehandelt, so dass auch ein kollektiver Tatbestand nicht vorliege.

Mit am 27.10.1999 verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main -- 9 BV 39/99 -- den Anträgen des Betriebsrates stattgegeben. Es hat seinen Unterlassungsanspruch mit der Begründung bejaht, dass die Anordnung der Arbeitgeberin auf eine Regelung des Ordnungsverhaltens der drei Mitarbeiter abziele und wegen des Zusammenhanges zwischen den einzelnen Maßnahmen auch ein kollektiver Bezug gegeben sei. Schließlich hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG keinen Ausschluss von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates regele.

Gegen den ihr am 19.11.1999 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 15.12.1999 Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel am 14.01.2000 begründet. Sie vertieft in der Auseinandersetzung mit den Gründen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses ihre Rechtsauffassung und beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27.10.1999

abzuändern und die Anträge des Betriebsrates zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen des vollständigen Vortrags der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird ergänzend Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung (Bl. 54 bis 56 d. A.) sowie auf die Beschwerdebeantwortung (Bl. 60 f. d. A.).

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Arbeitgeberin mit ihrem Verlangen gegenüber drei Arbeitnehmern, bereits vom ersten Tage einer Erkrankung an, ein ärztliches Attest vorzulegen, gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG verstoßen und ein solches Verhalten daher zu unterlassen hat.

1.)

Eine gesetzliche Regelung i. S. von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG steht dem vom Betriebsrat geltend gemachten Mitbestimmungsrecht nicht entgegen.

§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG gestattet dem Arbeitgeber zwa...

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