Entscheidungsstichwort (Thema)

Beratungsanspruch. Sozialplan

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beratungsanspruch des Betriebsrats nach § 111 Satz 2 BetrVG betrifft nur Betriebsänderung und Interessenausgleich. Hinsichtlich der Beratung und Verhandlung über einen Sozialplan bedarf es einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 3 BetrVG, anderenfalls besteht insoweit kein Vergütungsanspruch.

 

Normenkette

BetrVG §§ 40, 111-112, 80 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Beschluss vom 12.02.2010; Aktenzeichen 2 BV 10/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Marburg vom 12. Februar 2010 – 2 BV 10/09 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beteiligte zu 2) wird verurteilt, an die Beteiligte zu 1) EUR 14.937,83 (in Worten: Vierzehntausendneunhundertsiebenunddreißig und 83/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2009 zu zahlen. Der darüber hinausgehende Antrag der Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird ebenfalls zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 1) zugelassen, soweit ihr Antrag im Umfang von EUR 102.193,87 nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen und für die Beteiligte zu 2) wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung für die Beratung des Gesamtbetriebsrats im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) betreibt eine Eisengießerei mit ca. 3.250 Arbeitnehmern. Aufgrund massiver wirtschaftlicher Probleme im Rahmen des weltweiten Konjunktureinbruchs verlor sie erhebliche Teile ihres Umsatzes. Sie entschloss sich deshalb zum Abbau von 533 Arbeitsplätzen, teilweise im Wege der Kündigung, teilweise auf anderem Wege. Zur Vornahme des Personalabbaus leitete die Beteiligte zu 2) Gespräche mit dem zuständigen Gesamtbetriebsrat ein mit dem Ziel des Abschlusses diverser Betriebsvereinbarungen, unter anderem eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Mit Beschluss vom 12. März 2009 entschied sich der Gesamtbetriebsrat zur Beauftragung der zu 1) beteiligten Anwaltskanzlei. Der Gesamtbetriebsrat informierte die Arbeitgeberin auf der ersten Sitzung vom 16. März 2009 über die Hinzuziehung der Beteiligten zu 1) wie folgt:

„Herr A überreichte zu Beginn die Hausmitteilung vom 14. März 2009. Der Betriebsrat stellt darin klar, dass Herr RA B die Verhandlungen als „Berater” des Betriebsrats iSv. § 111 Absatz 1 Satz 2 BetrVG wahrnimmt.”

Die Arbeitgeberin forderte gegenüber dem Gesamtbetriebsrat und der Beteiligten zu 1) den Abschluss einer Honorarvereinbarung. Rechtsanwalt B von der Beteiligten zu 1) schlug mit Schriftsatz vom 17. März 2009 ein Pauschalhonorar von EUR 220.000 zzgl. Mehrwertsteuer vor. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Die Beteiligte zu 1) war aber zu einer Vergütungsreduzierung bereit und schlug sodann ein Gesamthonorar von EUR 120.000 zusätzlich Mehrwertsteuer vor. Die Arbeitgeberin schlug demgegenüber ein Stundenhonorar mit einem Stundensatz von EUR 250 vor, was wiederum die Beteiligte zu 1) ablehnte. Schließlich scheiterten die Honorarverhandlungen. Die Beteiligte zu 1) wies darauf hin, dass sie dann beabsichtige, eine Abrechnung nach dem RVG vorzunehmen.

Zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat unter Teilnahme von Rechtsanwalt B fanden 10 Sitzungen am Sitz der Arbeitgeberin statt. Die Sitzungsdauer war unterschiedlich. Als Ergebnis dieser Verhandlungen schlossen die Betriebsparteien einen Interessenausgleich (Bl. 6 ff. d. A.), einen Sozialplan (Bl. 16 ff. d. A.), eine Betriebsvereinbarung über Grundsätze zur Sozialauswahl nach § 1 Abs. 4 KSchG (Bl. 21, 22 d. A.) sowie eine Betriebsvereinbarung über die Verschiebung der zweiten Stufe der tariflichen Lohnerhöhung 2009 (Bl. 23, 24 d. A.) ab.

Die Beteiligte zu 1) stellte unter dem 11. Mai 2009 drei Rechnungen mit einer Honorarforderung in Höhe von EUR 126.971,57 aus. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erweiterte sie ihre Forderung um Euro 14.284,76, da in dem ursprünglichen Zahlungsantrag die Vergütung für den Interessenausgleich noch nicht berücksichtigt gewesen sei. Die Beteiligte zu 1) hat nach den Grundsätzen des RVG abgerechnet. Für die Abrechnung der Sozialplanverhandlungen („Interessenausgleich/Sozialplan”) hat sie einen Gegenstandswert von EUR 6,6 Millionen zugrunde gelegt, ausgehend von der Differenz des Sozialplanvolumens zwischen dem Faktor 0,50 und 1,0 Monatslöhne bei 533 abzubauenden Arbeitsplätzen. Sie hat eine Einigungsgebühr von 1,5 und eine Geschäftsgebühr wegen besonderer Schwierigkeit von 2,5 geltend gemacht. Für die Betriebsvereinbarung über die Verschiebung der zweiten Tariflohnerhöhung 2009 hat die Beteiligte zu 1) einen Gegenstandswert von EUR 1,8 Millionen zugrunde gelegt und eine Geschäftsgebühr von 1,3 und eine Einigungsgebühr von 1,5 begehrt. Für die Betriebsver...

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