Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die klageweise Geltendmachung von Vergütungsforderungen aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ist nicht allein deshalb mutwillig, weil diese Ansprüche neben einem Kündigungsschutzantrag mit einem (weiteren) Hauptantrag und nicht mit einem vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängigen (uneigentlichen) Hilfsantrag verfolgt werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 260; BGB § 615; KSchG § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 22.12.2004; Aktenzeichen 3 Ca 384/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 22. Dezember 2004 – 3 Ca 384/04 – aufgehoben.

Die Sache wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, das nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses erneut zu entscheiden hat.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, der zunächst nur für seine Kündigungsschutzklage Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung (PKH) begehrt hatte, wendet sich mit seiner am 06. Januar 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22. Dezember 2004, durch sein Antrag auf Bewilligung von PKH auch für den klageerweiternden Antrag auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Oktober und November 2004 mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, die Klage sei insoweit mutwillig, weil der Kläger den Zahlungsanspruch nicht im Wege eines Hilfsantrages geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht, das über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für seinen Kündigungsschutzantrag noch nicht entschieden hat, hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und wurde fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO).

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Dem Kläger kann mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung PKH für seinen Zahlungsantrag nicht wegen Mutwilligkeit verweigert werden. Die Rechtsverfolgung ist nämlich nicht deshalb mutwillig, wie der Kläger Vergütungsansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mit einem, vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängigen Hilfsantrag verfolgt.

Nach § 114 ZPO setzt die Bewilligung von PKH zum einen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung, zum anderen auch voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Von Mutwilligkeit ist auszugehen, wenn eine Partei in ihrem prozessualen Verhalten von demjenigen abweicht, was eine verständige und ausreichend bemittelte Partei in der gleichen prozessualen Lag zeigen würde (vgl. G/M/P/M–G/Germelmann ArbGG 5. Aufl. 2004 § 11 a Rz 95; Musielak/Fischer ZPO 4. Aufl. 2005 § 114 Rz 30; Zöller/Philippi ZPO 25. Aufl. 2005 § 114 Rz 30). Die Frage der Mutwilligkeit betrifft auch und gerade die Art der verfahrensmäßige Geltendmachung des Anspruchs (vgl. BVerfG 22. Dezember 1992 FamRZ 1993, 1422; G/M/P/M–G/Germelmann a.a.O.). Eine PKH begehrende Partei darf nicht durch kostenträchtiges Prozessieren von dem abweichen, was eine bemittelte Partei in gleicher Lage tun würde. Vielmehr muss sie das Kostenrisiko vernünftig abwägen. Denn es ist nicht der Zweck der PKH, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Parteien Prozesse zu ermöglichen, die eine „normale” Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde.

Dass der Kläger überhaupt Vergütungsansprüche geltend macht, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist der angegriffenen Kündigung fällig geworden sind, begründet keine Mutwilligkeit. Denn ohne entsprechenden Anhaltspunkt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte derartige Ansprüche bei Erfolg der Kündigungsschutzklage ohne weiteres erfüllen wird. Ein Erfahrungssatz, der eine solche Einschätzung tragen würde, existiert nicht (vgl. LAG Frankfurt 22. Oktober 1984 NZA 1985, 196). Hinzukommt im vorliegenden Fall ein weiteres. Nach dem Vortrag des Klägers enthält der Arbeitsvertrag der Parteien eine zweistufige Ausschlussfrist. In einem solchen Fall ist die Erhebung einer Zahlungsklage auf Annahmeverzugsvergütung schon deshalb nicht mutwillig, weil es einem Kläger nicht verwehrt werden kann, den sichersten Weg zur Durchsetzung von Ansprüchen zu beschreiten (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 114 Rz 33). Ob zweistufige Ausschlussfristen überhaupt wirksam einzelvertraglich vereinbart werden können, spielt insoweit keine Rolle. Dies eine Rechtsfrage, deren Beantwortung u.U. einem Hauptverfahren vorbehalten ist.

Es kann auch nicht, entgegen dem Arbeitsgericht, im vorliegenden Fall deshalb von Mutwilligkeit ausgegangen werden, weil der Kläger seine Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges mit einem neben dem Kündigungsschutzantrag gestellten Haupt- und nicht mit einem (sog. unechten) Hilfsantrag, verfolgt, über den nur für den E...

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