Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung. Im einstweiligen Verfügungsverfahren zuerkannter Freistellungsanspruch einer Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung für eine Schulungsveranstaltung (vier Teile à zwei Tage) mit dem Thema: „Wenn ich mit meinem Latein am Ende bin – Umgang mit psychisch kranken Menschen”. Schulungsveranstaltung. Schwerbehindertenvertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auf die Freistellung für die Teilnahme an Schulungen von Schwerbehindertenvertretern nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX gerichtete einstweilige Verfügungen sind zulässig, weil gem. §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist.

2. Eine vierteilige Veranstaltung „Wenn ich mit meinem Latein am Ende bin – Umgang mit psychisch kranken Menschen” kann erforderlich i.S.v. § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX sein, wenn der Schwerbehindertenvertreter und sein Stellvertreter seit ca. vier Monaten im Amt sind, wenn am Standort regelmäßig mehr als 20 schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigt sind und der Antragsteller seit ca. vier Monaten Verhandlungsführer mehrerer Schwerbehindertenvertretungen sowie der Gesamtbetriebsräte für die Einführung einer konzernweiten Integrationsvereinbarung für schwerbehinderte Mitarbeiter ist und wenn die Schulung dafür ein gesondertes Angebot enthält.

3. Eine Schulung nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX muss keine spezifische behindertenbezogene Thematik zum Inhalt haben.

 

Normenkette

SGB IX § 96

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 20.10.2009; Aktenzeichen 9 BVGa 4/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Oktober 2009 – 9 BVGa 4/09 – teilweise abgeändert.

Der Antrag des Beteiligten zu 1), der Arbeitgeberin aufzugeben, ihm einen Auslagenvorschuss zur Verfügung zu stellen, wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Erforderlichkeit einer Schulung der Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung. Von einer Sachdarstellung wird gemäß §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 525 ZPO, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen, da gegen diesen Beschluss unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegeben ist. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Beteiligte zu 2) durch Beschluss vom 20. Okt. 2009 – 9 BVGa 4/09 – im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, den Antragsteller für die Schulungsveranstaltungen von der Arbeitspflicht freizustellen und ihm einen Auslagenvorschuss in Höhe von EUR 1.600 zzgl. je EUR 210,– für Unterkunft und Verpflegung für jedes der vier zweitägigen Seminarteile zur Verfügung zu stellen. Bezüglich des Antrages auf Verpflichtung zur Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung hat es die Anträge zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen. Die Arbeitgeberin beantragt mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der Anträge. Sie rügt, Tatsachen für die Notwendigkeit der Schulungsveranstaltungen habe der Schwerbehindertenvertreter nicht glaubhaft gemacht. Was die Beteiligung am Wiedereingliederungsmanagement betreffe, behaupte der Schwerbehindertenvertreter selbst nicht, dass bei ihr schwerbehinderte Arbeitnehmer mit psychischen Erkrankungen beschäftigt seien. Abgesehen davon bestünde kein Verfügungsgrund. Der Schwerbehindertenvertreter verteidigt den angefochtenen Beschluss und verweist auf seine präventiven Verpflichtungen.

Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 14. Jan. 2010 verwiesen.

Hinsichtlich der Freistellung von der Arbeitspflicht für die beiden ersten, bereits stattgefundenen Seminarteile haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wurde das Verfahren vom Beschwerdegericht eingestellt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache überwiegend keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Anträge auf Freistellung von der Arbeitspflicht ist noch über die für die Seminarteile vom 4. / 5. März und 9. / 10. Juni 2010 beantragte Freistellung von der Arbeitspflicht zu entscheiden. Soweit der Schwerbehindertenvertreter erstinstanzlich beantragt hatte, ihn unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Diese Teilabweisung ist rechtskräftig geworden. Die Erledigungserklärung konnte sich dementsprechend auf die begehrte Fortzahlung der Vergütung nicht mehr beziehen.

Die Beteiligte zu 2) ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, verpflichtet, den Beteiligten zu 1) in der Zeit vom 4. und 5. März sowie vom 9. und 10. Juni ...

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