Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung eines Rechtsstreits über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes im Hinblick auf einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsstreit ist nach § 98 Abs. 6 ArbGG n.F. auszusetzen, wenn aufgrund vernünftiger Zweifel am Vorliegen der Voraussetzung der AVE streitig ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG eingehalten sind.

2. Dabei sind im Arbeitsleben geäußerte Vorbehalte zu berücksichtigen und von Amts wegen aufzugreifen. Es ist nicht Voraussetzung für eine Aussetzung, dass die Parteien die Frage der Allgemeinverbindlicherklärung im Ausgangsrechtsstreit problematisiert haben.

 

Normenkette

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Aktenzeichen 14 Ca 764/13)

 

Tenor

Der Rechtsstreit wird nach § 98 Abs. 6 ArbGG n.F. bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in den Verfahren mit den folgenden Streitgegenständen ausgesetzt:

- 2 BVAVE 5001/14 über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 15. Mai 2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15. Juli 2008, 2540/Beilage) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV);

- 2 BVAVE 5002/14 über die Wirksamkeit der AVE vom 25. Juni 2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 2. Juli 2010, S. 2287) des VTV vom 18. Dezember 2009;

- 3 BVAVE 5003/14 über die Wirksamkeit der AVE vom 3. Mai 2012 (BAnZ AT 22.05.2012 B 4) des VTV vom 18. Dezember 2009 idF. vom 21. Dezember 2011;

- 4 BVAVE 5004/14 über die Wirksamkeit der AVE vom 29. Mai 2013 (BAnZ AT 07.06.2013 B 5) des VTV vom 18. Dezember 2009 idF. vom 17. Dezember 2012.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er ist nach näherer Maßgabe zu dem Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt er von der Beklagten zuletzt Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum Januar 2009 bis Januar 2013 in Höhe von 236.437,49 Euro. Der Mahnbescheid, mit dem der Rechtsstreit eingeleitet worden ist, datiert vom 4. Juli 2013.

Die Beklagte ist seit 1. Dezember 2008 Mitglied im A.. Sie ist weder Mitglied im B. noch im C..

Unstreitig ist, dass in dem Betrieb der Beklagten zu mindestens ca. 50 % der Arbeitszeit Fußbodenbeläge hergestellt wurden, indem spezielle Kunststoffe/Epoxidharze in flüssiger Form aufgebracht wurden. Nachdem zuvor bestimmte Mischverhältnisse durch die Mitarbeiter hergestellt worden waren, wurde die aufgespritzte bzw. mittels Spezialgerät aufgezogene Masse unter Nivellierungsgesichtspunkten in einer bestimmten Höhe teils maschinell, teils händisch aufgebracht und geglättet. Im Betrieb der Beklagten wurden keine Malermeister oder Malergesellen beschäftigt.

Das Arbeitsgericht hat im vollen Umfang nach dem Klageantrag erkannt. Hinsichtlich der Begründung wird verwiesen auf Blatt 84 bis 90 d.A.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht der Klage stattgegeben. Aufgrund der Mitgliedschaft im A. und verwandter Betriebszweige sei im vorliegenden Fall eine Ausnahme aus der Allgemeinverbindlicherklärung (kurz: AVE) anzunehmen. Die von ihr durchgeführten Arbeiten seien solche der industriellen Kunststoffherstellung und Verwendung. Sie befasse sich mit ca. 50 % mit Bodenbelagsarbeiten in einem speziellen Kunststoffverfahren, daneben mit Korrosionsschutz-, Streich-, Lackierer- und Feinspachtelarbeiten. Bei dem Herstellen der Böden handele es sich um einen standardisierten Produktionsprozess, bei dem die Arbeitnehmer regelmäßig immer wieder die gleichen Tätigkeiten ausführten. Auch der Umstand, dass die Beschichtung aufgespritzt und eben nicht händisch aufgetragen werde, sei kennzeichnend für eine industrielle Tätigkeit.

Sie meint ferner, sie unterhalte einen Malerbetrieb und gehöre zu der Urlaubskasse des Maler- und Lackiererhandwerks. Bei den Bodenbelagsarbeiten handele es sich jedenfalls auch um Arbeiten des Maler- und Lackierergewerbes im Sinne der "Sowohl-als-auch-Rechtsprechung". Nehme man hinzu, dass die Arbeitnehmer der Beklagten auch Streich- und Lackiererarbeiten erbracht haben, sei von einer Ausnahme aus dem VTV nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV auszugehen.

Der Kläger meint, die Beklagte habe auch in zweiter Instanz nicht hinreichend dargetan, dass es sich um einen Maler- und Lackiererbetrieb handele. Er bestreitet, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum typische Malerarbeiten wie Anstricharbeiten ausgeführt habe. Die Beklagte werde auch von der AVE erfasst. Sie unterhalte keinen Industriebetrieb. Es fehlte an einen Industriebetrieb prägende Produktionsanlagen und -stufen sowie...

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