Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gem. § 99 Abs. 1 BetrVG bei Ein- und Umgruppierungen. Rechtskräftige Entscheidung als Prozesshindernis. Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Bei Umgruppierungen gehört daher zu einer vollständigen Unterrichtung i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist.

2. Eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist, ist unzulässig ("ne bis in idem"). Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.

3. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben.

 

Normenkette

BetrVG § 99; ZPO § 322 Abs. 1; LTV Einzelhandel HE § 2 LG II Fassung: 2019-07-12; LTV Einzelhandel HE § 7 Abs. 4 Fassung: 2019-07-12

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.03.2020; Aktenzeichen 9 BV 490/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. März 2020 – 9 BV 490/19 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten führen das Verfahren wegen der zwischen ihnen streitigen zutreffenden Eingruppierung von – zuletzt noch – 29 Arbeitnehmer:innen des so genannten Warenserviceteams.

Die zu 1 beteiligte Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen und betreibt bundesweit mehrere Warenhäuser. Eines dieser Warenhäuser befindet sich in A. Die Arbeitgeberin ist Mitglied im Handelsverband Hessen e.V. und dies seit 2013 ohne Tarifbindung. Seither wendet sie die tariflichen Regelungen des Einzelhandels in Hessen auf dem Stand des Jahres 2013 aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme an.

Der Beteiligte zu 2 ist die für das Warenhaus in A gebildete Arbeitnehmervertretung.

Am 21. Februar 2015 vereinbarte die Beteiligte zu 1) mit dem in ihrem Unternehmen gebildeten Gesamtbetriebsrat einen „Interessenausgleich Sanierungskonzept Fokus“ (AST. 2 im Anlagenband). Darin wurde im Rahmen eines unternehmenseinheitlichen Sanierungskonzepts ua. auch die Einführung eines so genannten Warenserviceteams (im Folgenden: WST) geregelt. In § 4 des Interessenausgleichs, der die „Prozess- und Organisationsstraffung in den Filialen, SC-Warenwirtschaft sowie Reisen und daraus resultierenden Personalabbau“ regelt heißt es unter I. 2. auszugsweise:

„B wird darüber hinaus eine neue Besetzungssystematik für den Verkauf in den einzelnen Filialen implementieren. Die Systematik sieht neben einer deutlichen Straffung der Abteilungsleiterebene und Wegfall der Funktionsebene Assistenten / Substituten den bedarfsgerechten Einsatz von Verkäufern vor, um die erforderliche Flächenpräsenz zur optimalen und anforderungsgerechten Beratung und Bedienung der Kunden sicherzustellen. Auf der Ebene der Verkäufer kommt es nach der neuen Struktur zu einer Aufgabentrennung zwischen Mitarbeitern mit Verkaufstätigkeit, Mitarbeitern mit Kassentätigkeit (Kassenserviceteam – KST) und Mitarbeitern, die künftig für den Warenservice (Warenserviceteam – WST) zuständig sind.

….“

In § 4 A. II. 2. des Interessenausgleichs heißt es dazu auszugsweise noch:

„Tätigkeitswechsel (KST / WST)

Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung wird zudem mit Tätigkeitswechseln einhergehen, Diese werden insbesondere im Rahmen der Errichtung von Kassenserviceteams (KST) und Warenserviceteams (WST) erforderlich sein.

Dabei gilt für das WST Folgendes: Den Mitarbeitern gegenüber wird keine Änderungskündigung ausgesprochen; sie werden nicht herabgruppiert. Mitarbeiter, die freiwillig in das WST wechseln, erhalten die Zusage, dass ihre bisherigen Einkünfte unabhängig von ihrer tariflichen Eingruppierung statisch weitergezahlt werden. Bei Neueinstellungen im WST gelten die jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen zur Eingruppierung.

….“

Auch in dem Betrieb in A wurde ein WST geschaffen. Dazu wurde am 5. Oktober 2015 eine Tätigkeitsbeschreibung erstellt (AST. 3 im Anlagenband). Diese, das gesamte Tätigkeitsfeld der WST-Mitarbeiter – unabhängig von den jeweils tatsächlichen ausgeführten Tätigkeiten des einzelnen Mitarbeiters - darstellende Beschreibung hat folgenden Inhalt:

„Vorbereitung / Manipulation der Ware / Auffüllen

- Bereitet die Ware für die verk...

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