Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Bestimmtheit einer in einem gerichtlichen Vergleich eingegangenen Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich, in der sich der Schuldner zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, das einer bestimmten Note, z.B. der Note "gut", entspricht, ist mangels Bestimmtheit einer Vollstreckung nicht fähig.

2. Den Parteien bleibt die Möglichkeit, bestimmte Kernformulierungen, wie z.B. "stets zu unserer vollen Zufriedenheit", in den Vergleichstext mit aufzunehmen, um sicherzustellen, dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2, § 794 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 21.06.2016; Aktenzeichen 1 Ca 300/15)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 14.02.2017; Aktenzeichen 9 AZB 49/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 21. Juni 2016 - 1 Ca 300/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Gläubiger zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung um die Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses.

Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens schlossen die Parteien einen Beendigungsvergleich. Darin war unter anderem Folgendes geregelt:

"...

4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer sehr guten Führungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns-, Dankes- und gute Wünscheformulierung im Schlusssatz. ..."

Die Beklagte erteilte dem Gläubiger unter dem 25. Januar 2016 ein Zeugnis. Darin bescheinigte sie ihm, dass sie mit dessen Leistung jederzeit sehr zufrieden gewesen sei. Bezüglich der Einzelheiten des erteilten Zeugnisses wird verwiesen auf Bl. 68 der Akte.

Die vollstreckbare Ausfertigung wurde am 31. März 2016 erteilt und am 25. April 2016 der Schuldnerin zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2016 beantragte der Gläubiger die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der in dem Vergleich unter 4. geregelten Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses.

Der Gläubiger hat die Auffassung vertreten, eine sehr gute Führung- und Leistungsbeurteilung werde regelmäßig durch die Formulierung "seine Aufgaben erledigte Herr ... stets zu unserer vollsten Zufriedenheit". ausgedrückt. Die Schuldnerin habe ihm lediglich eine ausreichende bis befriedigende Bewertung bescheinigt. Auch die Führungsbeurteilung "sein Verhalten (...) war immer einwandfrei" weise eine allenfalls befriedigende Führungsbeurteilung aus.

Die Schuldnerin hat die Auffassung vertreten, dass mit dem erstellten Zeugnis der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses der Gläubigerin bereits erfüllt worden sei. Der Arbeitgeber sei frei darin, wie er eine sehr gute Führungs- und Leistungsbeurteilung zum Ausdruck bringe.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. Juni 2016 den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die in Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs geregelte Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses nicht hinreichend bestimmt sei. Dieser Beschluss ist dem Gläubiger am 29. Juni 2016 zugestellt worden. Am 12. Juli 2016 hat er hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt.

Er vertritt die Auffassung, dass es einer Vergleichsregelung auf Erteilung eines Zeugnisses nur dann an der Bestimmtheit fehle, wenn der Vergleich hinsichtlich des Zeugnisinhaltes auf andere Urkunden (Klageschrift, früheres Zwischenzeugnis) verweise. Dass dem Arbeitgeber gegebenenfalls ein Spielraum bei den einzelnen Formulierungen zukomme, mache die Regelung nicht zu unbestimmt. Auch beim Weiterbeschäftigungsantrag werde die Art der Beschäftigung regelmäßig nur rahmenmäßig angegeben, im Übrigen werde die Tätigkeit vom Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Sie ist statthaft und innerhalb der Zweiwochenfrist rechtzeitig eingelegt worden, §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793, 567 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit Recht die Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 888 ZPO verweigert.

1. Die Regelung in Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs vom 8. Januar 2016, in der sich die Schuldnerin verpflichtete, eine sehr gute Führungs- und Leistungsbeurteilung im Zeugnis zu erteilen, ist zu unbestimmt und daher einer Vollstreckung nicht zugänglich.

a) Der Maßstab für die Bestimmtheit einer vollstreckungsfähigen Leistung deckt sich mit den Anforderungen nach § 253 Abs. 2 ZPO für einen bestimmten Antrag in der Klageschrift (vgl. BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 16, NZA 2009, 917). Der bestimmte Antrag dient zum einen zur Abgrenzung des Streitgegenstands, zum anderen schafft er eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung. Ge...

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