Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Untersagung der Amtsausübung durch ein Mitgleid des Betriebsrats im Wege einstweiliger Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

Die sofortige Untersagung der Amtsausübung eines Betriebsratsmitglieds im Wege einer einstweiligen Verfügung setzt über den groben Verstoß iSd. § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hinaus einen Sachverhalt voraus, der dem Arbeitgeber, dem Betriebsratsgremium und/oder der Belegschaft die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Amtsenthebungsverfahren unzumutbar und untragbar macht.

 

Normenkette

ArbGG § 87 Abs. 2 S. 1, § 85 Abs. 2; BGB §§ 935, 940; BetrVG § 23 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.06.2016; Aktenzeichen 14 BVGa 391/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 2016 - Aktenzeichen 14 BVGa 391/16 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des Eilbeschlussverfahrens über die Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamtes des Beteiligten zu 5.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1., ein Autobus- und Reiseunternehmen, und die Antragstellerin und Beteiligte zu 2., die unter anderem im Bereich Reisevermittlung und Omnibusvermietung tätig ist, betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb. Die ehemalige Antragstellerin und Beteiligte zu 3., ebenfalls früher am Gemeinschaftsbetrieb beteiligt, wurde auf die Beteiligte zu 1. verschmolzen. Der Beteiligte zu 4. ist der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat (nachfolgend Betriebsrat), der aus neun Mitgliedern besteht. Der Beteiligte zu 5. ist Mitglied des Betriebsrats; zuvor war er bis zu seiner Abwahl dessen Vorsitzender.

Auf ein von den Beteiligten zu 1. und zu 2. und der ehemaligen Beteiligten zu 3. (nachfolgend Arbeitgeberinnen) am 10. März 2015 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleitetes Beschlussverfahren, dem sich der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 11. Mai 2015 angeschlossen hat, hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit am 16. Februar 2016 verkündeten Beschluss - Aktenzeichen 24 BV 183/15 (Bl. 37-55 d.A.) - nach Beweisaufnahme den Beteiligten zu 5. aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 5. Beschwerde eingelegt, die derzeit beim Hessischen Landesarbeitsgericht unter Aktenzeichen 9 TaBV 140/16 geführt wird.

Mit dem am 2. Juni 2016 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung haben die Arbeitgeberinnen begehrt, dem Beteiligten zu 5. die Ausübung seines Betriebsratsamtes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausschlussverfahrens - Aktenzeichen 9 TaBV 140/16 - zu untersagen.

Die Arbeitgeberinnen haben die Ansicht vertreten, der Beteiligte zu 5. habe in grober Weise gegen die ihm obliegenden Amtspflichten verstoßen. Er habe sie in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender mehrfach über das Vorliegen von Beschlüssen des Betriebsrats getäuscht, die tatsächlich überhaupt nicht existierten. So habe der Beteiligte zu 5. eigenmächtig und ohne einen ihn legitimierenden Beschluss des Betriebsrats Rechtsanwalt Dr. A mit der Einleitung eines Ordnungsgeldverfahrens beauftragt. Außerdem seien die Arbeitgeberinnen verpflichtet gewesen, ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, nachdem der Beteiligte zu 5. im Rahmen einer lediglich vorsorglich erfolgten Beteiligung des Betriebsrats zu - aus der Sicht der Arbeitgeberinnen nicht vorliegenden - Versetzungsmaßnahmen sie über einen Beschluss des Betriebsrats über die Verweigerung der Zustimmung zu diesen Versetzungsmaßnahmen informiert habe. Der Betriebsrat habe aber tatsächlich gar keinen Beschluss gefasst gehabt, seine Zustimmung zu den Versetzungsanträgen zu verweigern. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 5. sei, nachdem das Arbeitsgericht Frankfurt am Main dem Ausschlussantrag stattgegeben habe, den Arbeitgeberinnen nicht zuzumuten. Die Verstöße des Beteiligten zu 5. in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender seien von erheblicher Natur.

Unschädlich sei nach Ansicht der Arbeitgeberinnen, dass sie zunächst den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens über den beantragten Ausschluss aus dem Betriebsrat abgewartet hätten. Sie hätten erwartet, dass der Beteiligte zu 5. nach dem Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens, dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Eindeutigkeit der Entscheidung diese und letztlich die Beendigung seines Betriebsratsamtes akzeptieren werde.

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,

dem Beteiligten zu 5. im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, sein Betriebsratsamt bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht unter Aktenzeichen 9 TaBV 140/16 laufenden Ausschlussverfahrens auszuüben.

Der Beteiligte zu 5. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 5. hat die Ansicht vertreten, weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund seien gegeben. Insbesondere be...

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