Verfahrensgang

ArbG Gießen (Beschluss vom 24.07.1998; Aktenzeichen 2 Ca 140/98)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Gießen vom 24.7.1998 – Az. 2 Ca 140/98 – aufgehoben und festgestellt, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.03.1996 bei der Firma A. über deren Vermögen am 10.02.1998 der Konkurs eröffnet wurde, und für die der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt wurde, als Leiter Aus- und Weiterbildung zu einem monatlichen Bruttogehalt von DM 7.000,00 beschäftigt. Auf den Inhalt des Anstellungsvertrages wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 5 u. 6 d.A.). Mit Schreiben vom 06.08.1997 stellte der Hauptaktionär der Gemeinschuldnerin, Herr W. J., den Kläger allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Innendienst der Gemeinschuldnerin als „Leiter der Innenverwaltung” vor. Den Mitarbeitern wurde bedeutet, dass sie lediglich dem Kläger und dem Vorstand gegenüber verpflichtet seien, Weisungen zu befolgen. Auf den Inhalt des Schreibens wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 29 d.A.). Der genannte Herr J. erteilte dem Kläger unter dem 23.10. 1997 (Bl. 30 d.A.) Vollmacht, ihn in der Vollversammlung der Gemeinschuldnerin vom 24.10.1997 zu vertreten und das Stimmrecht für seine Aktien auszuüben. Auf der genannten Hauptversammlung vom 24.10.1997 wurde der Kläger zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Gemeinschuldnerin gewählt. Zugleich wurde an diesem Tag an Stelle des Vorstandes G. W. Herr P. R. zum Vorstand bestellt. Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin erhielt der Kläger eine „Sonderleistung” in Höhe von DM 578.419,86 brutto ausgezahlt. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 23.07.1998 vereinbarten die Parteien, dass das „Arbeitsverhältnis der Parteien” aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung vom 12.02. mit Ablauf des 31.03.1998 endete.

Der Kläger hat gemeint, dass er bis zu seinem Ausscheiden Arbeitnehmer gewesen sei und deshalb für seine Klage auf Vergütung für Januar und Februar 1998 sowie auf Urlaubsabgeltung der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei. Demgegenüber hat der Beklagte gemeint, der Kläger könne aufgrund seiner faktischen Machtstellung im Unternehmen der Gemeinschuldnerin nicht als Arbeitnehmer angesehen werden. Im Übrigen hat er widerklagend die Rückzahlung der „Sonderleistung” und für Oktober bis Dezember 1997 geleisteter Zahlungen geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 24.07.1998 – 2 Ca 140/98 – hat das Arbeitsgericht Gießen festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig sei und den Rechtsstreit an das Landgericht Gießen verwiesen. Gegen diesen ihm am 18.08.1998 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 31.08.1998 sofortige Beschwerde eingelegt. Er meint weiter, Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin und des Beklagten gewesen zu sein.

Er beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 24.07.1998 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

Wegen der Begründung wird ergänzend auf den klägerischen Schriftsatz vom 26.08.1998 (Bl. 188–194 d.A.) sowie auf seinen Schriftsatz vom 05.10.1998 (Bl. 203–207 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 48 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG), rechtzeitig eingelegt (§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und insgesamt zulässig.

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Der Kläger macht Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a ArbGG geltend. Die seitens des Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachten Ansprüche stehen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Klageforderung (§ 2 Abs. 3 ArbGG).

Zunächst steht die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht entgegen. Der Kläger war als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Gemeinschuldnerin nicht Mitglied eines Organs, das zur Vertretung der Gemeinschuldnerin als juristischer Person berufen war. Gem. § 112 Aktiengesetz vertritt der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft gerichtlich und außergerichtlich lediglich gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Im Rechtsverkehr nach außen dagegen wird die Aktiengesellschaft nicht durch den Aufsichtsrat sondern den Vorstand vertreten (§ 78 Aktiengesetz). Mitglied des Vorstandes der Gemeinschuldnerin war aber der Kläger unstreitig nicht.

Die Rechtsverhältnisse zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin regeln sich im vorliegenden Verfahren nach dem „Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte” vom 01.03.1996 (Bl. 12 u. 13 d.A.). Unstreitig ist dieser Vertrag auch jedenfalls zunächst seinem Wortlaut entsprechend durchgeführt worden. Danach kann kein Zweifel bestehen, dass der Kläger seit dem 01.03.1996 Dienstleistungen als Arbeitnehmer erbracht hat.

Nach der zutreffenden Rechtsprechu...

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